Medizinische Hochschule

Fit beim Start ins Leben

Eine Wissenschaftlerin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat einen Mechanismus gefunden, der Neugeborene vor überschießenden Entzündungen und somit vor schweren Erkrankungen schützt.

Professorin Dr. Dorothee Viemann aus der Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der MHH mit Lara Mellinger, die in der MHH ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr.

Neugeborene haben ein vollkommen anderes Immunsystem als Kleinkinder oder Erwachsene. Es wurde bisher als "unreif" bezeichnet. Doch eine Studie von Professorin Dr. Dorothee Viemann aus der Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) spricht dafür, dass das Neugeborenen-Immunsystem sehr aktiv und auf die spezielle Situation der Geburt abgestimmt ist. Die Ergebnisse veröffentlichte die renommierte Fachzeitschrift Cell Reports.

Immunsystem von Neugeborenen intakt

Das Immunsystem von Babys, die mit einem normalen Körpergewicht nach Vollendung der Schwangerschaft auf natürlichem Weg geboren werden, schafft es, sich in angemessener Weise gegen Krankheitserreger zu wehren - also weder zu schwach, noch zu stark. Professorin Viemann entdeckte mit ihrem Team, dass für eine solche angemessene Reaktion des Immunsystems der Stoff Calprotectin entscheidend ist: "Calprotectin ist ein körpereigener Entzündungsmediator: Akut ausgeschüttet verstärkt es zunächst Entzündungsreaktionen des angeborenen Immunsystems im Rahmen der Abwehr von Krankheitserregern. Entscheidend ist aber auch, dass es parallel und nach längerem Einwirken das Abstellen der Entzündungen einleitet, damit diese nicht zu stark ausfallen", erläutert die Wissenschaftlerin. Es reguliert also die Entzündungsreaktion - ohne die Abwehr der Krankheitserreger zu beeinflussen.

Schwere Erkrankungen von Frühgeborenen häufig komplexe Entzündungsreaktionen

"Wir haben beobachtet, dass mit der Geburt massiv Calprotectin ausgeschüttet und das Immunsystem von Neugeborenen dadurch in seiner Reaktion gegenüber Mikroorganismen quasi gebremst wird", sagt Professorin Viemann. Da ihre Arbeitsgruppe nachweisen konnte, dass Frühgeborene nur wenig Calprotectin im Nabelschnurblut haben, erweist sich die Calprotectin-Freisetzung bei der Geburt als ein Regulator der Immunantwort. So erklärt die Forscherin die Tatsache, dass fast alle schweren Erkrankungen von Frühgeborenen komplexe Entzündungsreaktionen sind - beispielsweise die Blutvergiftung. Der Körper reagiert dann zu stark auf Erreger aus der Umwelt, das Immunsystem ist zu aktiv. "Damit keine überschießende Entzündungsreaktion stattfindet, muss Calprotectin ausgeschüttet werden. Dieser wichtige Mechanismus bereitet uns auf die Auseinandersetzung mit der Umwelt vor, die anschließend dauerhaft stattfindet", formuliert Professorin Viemann.

(Veröffentlicht: 17. Dezember 2014)