Der Deisterkreisel

Route 2: Von Wennigsen nach Völksen

"Gutsherren, Glas und Gaumenkitzel" - Zwischen Wennigsen und Völksen führt der Deisterkreisel auf 14,5 km überwiegend durch den hügeligen Teil der Calenberger Lösslandschaft – vorbei an Rittergütern und hinein in die Geschichte der regionalen Schnaps- und Glasproduktion.

 

Der Deisterkreisel - Route 2

Die Stationen

Wennigsen - Ort und Kloster (1)

Wennigsen, das bis 1932 noch „Kloster Wennigsen“ hieß, hat seine Entwicklung der Gründung eines Augustiner-Nonnenklosters zu verdanken. Das Kloster wurde bis Ende des 15. Jahrhunderts durch Stiftungen und Schenkungen zum reichsten der fünf Calenberger Klöster. Gleichzeitig vergrößerte sich auch der Ort. Doch Wennigsen wurde während der Hildesheimer Stiftsfehde und des Dreißigjährigen Krieges fast vollständig zerstört. Erst um 1700 wurde der Ort langsam wieder aufgebaut. Wirtschaftlichen Aufschwung brachte ab 1640 die Förderung der Deisterkohle. Heute gibt es in Wennigsen viel Sehenswertes zu entdecken:

In der um 1700 erbauten „Oberen Mühle“, die zuletzt zu einem Holzsägewerk gehörte, ist das Heimatmuseum untergebracht. Das Fachwerkgebäude am Mühlenbetriebsgraben stellte die Gemeinde Wennigsen 1974 dem Förderverein des Heimatmuseums zur Verfügung. Über mehrere Stockwerke ist dort Interessantes aus verschiedensten Lebensbereichen vergangener Tage zu besichtigen. Außerdem werden wechselnde, themenbezogene Ausstellungen angeboten.

Durch den alten Ortskern von Wennigsen fließt der Mühlbach, der den daneben angelegten Mühlenbetriebsgraben mit Wasser versorgt. An diesem lagen einst sieben Mühlen mit vorgelagerten Mühlenteichen, die als Wasserspeicher dienten. Dazwischen verläuft der Mühlendamm. Auf ihm brachten die Bauern ihr Getreide zu den Mühlen. Heute ist der Mühlendamm vor allem ein beliebter Spazierweg. Unterwegs lohnt der Besuch des Kunsthandwerkzentrums Spritzenhaus. Ansprechend werden auf 1,3 Kilometern Natur, Kultur und Geschichte verbunden.

Am Forges-Les-Eaux-Platz in der Ortsmitte stiftete Erich Pollähne 1995 eine einmalige Sonnenuhr. Aus Stahl und Basaltstein gebaut, zeigt sie einen 16-teiligen Kalender der Germanen, 18 Bilder aus der Zeitmessung und Astronomie, die babylonischen und italienischen Stunden, die Normal- sowie die Sommerzeit mitteleuropäischer Zeitrechnung.

Sehenswert ist auch das Kloster Wennigsen. Es wurde um 1215 gegründet und urkundlich erstmals 1224 erwähnt. Der romanische Wehrturm erbaut um 1150 und einige
Mauerelemente sind die ältesten Teile der Klosterkirche. 1542 führte Herzogin Elisabeth im Fürstentum Calenberg die Reformation ein und sicherte gleichzeitig den Bestand der Calenberger Klöster. Nach einer Übergangszeit wurde das Kloster Wennigsen in ein evangelisches Damenstift umgewandelt. Der Dreißigjährige Krieg zerstörte große Teile des Klosters. Erst 1666 hatte sich die Gemeinde soweit erholt, dass mit Reparaturarbeiten begonnen werden konnte. Zwischen 1707 und 1725 entstanden im barocken Stil die heute bestehenden Klostergebäude. In Kirche und Kloster sind zahlreiche Kostbarkeiten zu sehen wie der von Conrad Heinrich Bartels um 1700 geschaffene dreistöckige Barockaltar. Das Kloster bietet Führungen zu festgelegten Terminen sowie nach Vereinbarung an.

Von Wennigsen nach Bredenbeck sind zwei Routen möglich, die sich am Rittergut Bredenbeck wieder treffen. Die ausgeschilderte Routenführung des Deisterkreisels verläuft zunächst auf dem Radweg längs der Argestorfer Straße. Am Ortsausgang von Argestorf hat der königliche Oberhofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves (1788–1864) seine Spuren hinterlassen: das Herrenhaus des „Widdergutes Vier Eichen“, das 1844 im klassizistischen Stil errichtet wurde. Es ist von zwei Scheunen, den namensgebenden Eichen und einem Park umgeben. Das gesamte Ensemble mit Parkanlage steht unter Denkmalschutz.

Die alternative, aber nicht ausgeschilderte Route über Evestorf beginnt gegenüber dem Kloster in der Evenstorfer Straße (Einmündung Sorsumer Straße), führt am Friedhof vorbei und weiter auf befestigtem Feldweg durch die Bördelandschaft bis nach Evestorf. Wie im gesamten nordöstlichen Deistervorland wird das Landschaftsbild zwischen Wennigsen und Evestorf durch intensive Ackernutzung geprägt. Bereichernde Strukturen wie Baumreihen, Gebüsche oder Einzelgehölze sind hier selten anzutreffen. Auf den nährstoffreichen Lössböden werden heute überwiegend Mais und Weizen angebaut. Kurz vor Evestorf quert die Alternativstrecke den Bredenbecker Bach, der sich ein paar Hundert Meter nördlich mit dem Wennigser Mühlenbach zur Ihme vereint. Weiter geht es auf überwiegend geschottertem Weg – den Deister immer im Blick – bis nach Bredenbeck.

Rittergut Bredenbeck (2)

Bredenbeck, dessen Name „An der breiten Beeke“ bedeutet, wurde urkundlich erstmals 1255 erwähnt. Im Jahr 1338 erhielt Ritter Hermann Knigge und sein Sohn das Schloss Bredenbeck als Lehen. Dafür verpflichteten sie sich gegenüber den Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg das Schloss weiterhin gut zu sichern und es den Landesherren in allen Notzeiten zu öffnen. Das heutige Herrenhaus entstand um 1800. Die Anlage wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach den Plänen Georg Ludwig Friedrich Laves neu gestaltet. Bis heute hat ein Zweig der Familie Knigge hier ihren Sitz.

Ihr bekanntester Vertreter war Freiherr Adolf Knigge (1752–1796). Schon früh verfasste er Schriften zu verschiedensten Themen. Sein Werk „Über den Umgang mit Menschen“ machte ihn berühmt. Übrigens ist der „Knigge“, dessen Autor für die Ziele der Aufklärung eintrat und mit den Ideen der Französischen Revolution sympathisierte, keine „Benimm-Bibel“ sondern eine praktische Lebensphilosophie. Neugierige finden in der Heimatstube Bredenbeck, die 1973 eröffnet wurde und von Ehrenamtlichen betreut wird, die komplette Literatursammlung des Freiherrn Adolf Knigge.

Kornbrennerei Warnecke (3)

Eine besondere Attraktion Bredenbecks ist die Kornbrennerei. Sie wird von der Familie Warnecke bereits in der fünften Generation geführt. Nach alter Tradition wird der Bredenbecker Korn seit 1826 in Eichenholzfässern gelagert. Dort erlangt er seine volle Reife, Farbe und den milden Geschmack.

In den vergangenen Zeiten galt Korn weniger als Genuss- denn als Lebensmittel. Besonders für die Arbeiter im Stein- und Kohlebergbau sowie in der Land- und Forstwirtschaft war er ein wichtiger Energielieferant und fester Bestandteil der täglichen Nahrung. Gleichzeitig half er die schwere Arbeit zu ertragen. Heute wird der Korn zunehmend veredelt.

Nach Voranfrage kann die Kornbrennerei besichtigt werden. Die Abläufe zur Herstellung des edlen Tropfens sind sehenswert. Auch Verkostungen sind kein Problem. Außerdem finden hier jährlich zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt.

Steinkrug - ehemalige Poststation und Glashütte (4)

Zwischen Bredenbeck und Bennigsen führt die Strecke an dem „Hotel Restaurant Steinkrug“ vorbei. Bereits im 17. Jahrhundert stand hier eine Übernachtungsherberge und Gaststätte, die gleichzeitig als Poststation mit Reiter- und Pferdewechsel diente. Das Gebäude, direkt an der Hamelner Chaussee gelegen, wurde 1850 grundlegend nach Plänen Georg Ludwig Friedrich Laves umgebaut. Nach Schließung der Glashütte entwickelte sich die „Gaststätte Steinkrug“ zu einem beliebten Ausflugslokal. Seit 1982 steht die ehemalige Rast- und Poststation unter Denkmalschutz.

Vom Ausflugslokal erreicht man das Industriedenkmal Glashütte in wenigen Minuten auf der Straße, die hinauf in den Wald führt. Gegenüber dem Hotel weist eine Glasstele Steinkrug als die letzte Station des Glasstelen-Pfades in der Deister-Süntel-Region aus.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts förderte Freiherr Wilhelm Ernst Carl Knigge (1771–1839) viele industrielle Unternehmungen im „Gericht Bredenbeck“. Auch die 1804 gegründete „Glashütte Steinkrug“ zählte zu diesen Projekten. Der 13 Meter hohe, aus Deister-Sandstein errichtete Glashüttenturm entstand 1838. Männer mit kräftiger Lunge stellten hier mundgeblasenes Hohlglas wie Medizin-, Wein- und Bierflaschen, Gärballons und Kolbenflaschen in roter, brauner, grüner und blauer Farbe her. Gut mit Stroh umhüllt und in Kisten verpackt, wurde die wertvolle Glasware bis nach Südamerika und Afrika exportiert. Befeuert wurde der Glasofen zunächst mit Holz aus den umliegenden Kniggeschen Wäldern. Da der Holzbedarf jedoch sehr hoch war, stellte man später auf Deisterkohle um. Der zu schmelzende Quarzsand kam aus den nahen Steinbrüchen sowie für Feinglas aus der Lüneburger und Nienburger Heide. Den Kalk karrten die Arbeiter aus Steinbrüchen südlich von Völksen heran. Sulfat und das für das Buntglas erforderliche Sodasalz sowie die verschiedenen Metalloxide wurden zugekauft. Obwohl ständig modernisiert, war die „Glashütte Steinkrug“ aufgrund versiegender Rohstoffe und steigender Transportkosten nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr konkurrenzfähig und stellte die Glasproduktion 1928 endgültig ein. Heute stehen einige Gebäude der ehemaligen „Glashütte Steinkrug“ unter Denkmalschutz.

Vom Ort Steinkrug aus verläuft der Deisterkreisel zunächst weiter durch den Wald bis sich am Waldrand herrliche Blicke auf das Calenberger Land und den Ort Bennigsen eröffnen. Am Ende einer längeren Abfahrt biegt der Deisterkreisel kurz vor der Bahnlinie rechts ab zum Lauseberg. Hier lohnt aber auch ein Abstecher geradeaus über die Bahngleise nach Bennigsen.

Rittergut Bennigsen (5)

Im Mittelalter lebte der Adel im Calenberger Land vielfach in Wasserburgen, deren bescheidene Bauten eher den bodenständigen, kompakten niedersächsischen Bauernhäusern ähnelten als den bekannten westfälischen Wasserschlössern. Durch Schenkungen der Landesfürsten, die ihren sogenannten Ministerialen für ihre Verdienste größere Bauern- oder Sattelhöfe überschrieben, erfuhr der „Ortsadel“ eine ständige Vermehrung. Fast immer trat er mit den weltlichen oder auch geistlichen Herren in ein Abhängigkeitsverhältnis, indem er sein Gut als Lehen bekam. Dafür hatte er in Fehdezeiten eine genau festgelegte Anzahl von Reitern und Pferden zu stellen. Obwohl die Ritterzeit mit dem 15. Jahrhundert zu Ende ging, blieb diese Verpflichtung noch bis weit ins 17. Jahrhundert bestehen. Viele alt eingesessenen Adelsgeschlechter leben noch heute auf ihren Gütern, wie hier auf dem Rittergut Bennigsen.

Wo sich heute das Rittergut Bennigsen eindrucksvoll präsentiert, stand vermutlich bereits im 10. Jahrhundert eine Burg. Urkundlich jedoch wird eine Wasserburg erstmals 1311 erwähnt. Während der Hildesheimer Stiftsfehde (1519 –1523) wurde das Obergeschoss des Gutshauses stark zerstört. Bereits 1566 war das Herrenhaus wieder aufgebaut. Reicher Schnitzdekor schmückt bis heute das Fachwerk des Obergeschosses. Weitere bauliche Veränderungen erfolgten unter Jacob von Bennigsen (1654–1731). 1864 errichtete Georg Ludwig Friedrich Laves das sogenannte „Neue Schloss“, den Alterssitz des Rudolf von Bennigsen (1824–1902), das in einer 4,5 Hektar großen Parkanlage liegt. Das Anwesen kann nur stellenweise von außen eingesehen werden. Eine Umrundung der Anlage lohnt sich jedoch schon wegen des alten Ortskerns von Bennigsen.

Lauseberg und Völksen (6)

Kurz nach der Querung der Ismer Beeke, die nahe der Wüstung Ihsen entspringt, biegt der Deisterkreisel rechts ab und führt stetig den Lauseberg hinauf. Etwas unterhalb
der Kuppe taucht er in einen Buchenwald mit Hallencharakter ein, der im deutlichen Kontrast zu den Fichtenbeständen steht. Im Buchenwald ist ein aufgelassener und mittlerweile mit Bäumen bestandener Steinbruch zu erkennen. Hier wurde früher Kalkstein für das Völksener Kalkwerk abgebaut. Im daran anschließenden, nur mit Sträuchern bewachsenen Teil und längs des Waldsaums am Südhang kommen kleine Flächen mit Magerrasen vor.

Magerrasen sind floristisch artenreiche Lebensräume. Hier gedeihen Feld-Thymian, Dorniger Hauhechel und andere seltene Blütenpflanzen. An und von ihnen leben viele wärmeliebende Insekten wie Schmetterlings-, Wildbienen- und Heuschrecken-Arten. Aufgrund fehlender Beweidung sowie durch Umnutzung sind Magerrasen selten geworden und stehen deshalb unter Biotopschutz.

Vom Lauseberg geht es nach Völksen hinein schwungvoll bergab. Bevor der Deisterkreisel links zum Bahnhof abbiegt, bietet sich noch rechts den Deisterhang hinauf ein Abstecher zum „Hermannshof“ an. In der Region Hannover ist er einer der vielfältigsten Orte für „Kultur im Grünen“. Er liegt in Völksen auf einer Anhöhe zwischen zwei aufgelassenen Kalksteinbrüchen. Der historisch gestaltete Park, die Streuobstwiese sowie das „Haus im Park“ bilden eine einzigartige Kulisse für verschiedenste Kunst- und Kulturprojekte. Seit 1990 präsentieren hier Künstler aus ganz Europa ihre Arbeiten. Gefördert von der Region Hannover im Rahmen des Projekts „Gartenregion Hannover“, bietet das vielfältige Programm für jeden Kulturliebhaber ein unvergessliches Erlebnis.