Kulturhauptstadt Europas 2025

Zweites Bid Book: Hannover als "Agora of Europe"

Hannover als transnationale Aktivistin: Mit einer spektakulären Inszenierung hat das Team Kulturhauptstadtbewerbung am 18. September im und vor dem Neuen Rathaus das zweite Bid Book für die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025 vorgestellt. Hannovers Programm basiert auf drei Säulen.

Oberbürgermeister Belit Onay, Melanie Botzki (Teamleitung), Sebastian Peetz (Künstler und Designer), Juan S. Guse (Autor) und Inga Samii (Teamleitung) (v. l.) präsentieren einen Teil des zweiten Bid Books

"Mit Kunst und Paukenschlägen!" denn "Normalität ist keine Option"

Hannover hat statt eines Bewerbungsbuchs das Manifest "Normalität ist keine Option"“ veröffentlicht und ist im Wettbewerb Kulturhauptstadt Europas disqualifiziert worden! Fake News? Nein, Fiktion und künstlerischer Rahmen des zweiten Bewerbungsbuchs. Das Manifest und die Inszenierung, mit der die Landeshauptstadt Hannover am 18. September ihr Bewerbungsbuch vorgestellt hat, steht beispielhaft für die künstlerische Methode, mit der sie als Kulturhauptstadt Europas auf die großen Themen aufmerksam machen will: "Mit Kunst und Paukenschlägen!", wie das Leitungsduo der hannoverschen Bewerbung, Melanie Botzki und Inga Samii, betont. Die Landeshauptstadt Hannover leitet ein Umdenken im Wettbewerb ein und fordert in Corona-Zeiten die Nachhaltigkeit des Bewerbungsprozesses zur Kulturhauptstadt Europas 2025 für alle Bewerberstädte. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Pandemien und deren Auswirkungen auf den Kulturbereich kulminiert in der fiktiven Überspitzung im Bewerbungsbuch: Die Stadt veröffentlicht statt eines Bewerbungsbuchs das Manifest "Normalität ist keine Option".

"Buch aus der Zukunft"

In der Science-Fiction-Geschichte des Autors Juan S. Guse findet eine Wissenschaftlerin in einer Cloud Hannovers fast fertiges, nie abgegebenes Bid Book. Ihre Studie ist der Blick aus dem Jahr 2059 zurück auf das Jahr 2020 und untersucht Hannovers Bewerbungsansatz als "Agora of Europe". Für die theatrale Inszenierung des hannoverschen Bewerbungsbuchs zeichnet als künstlerische Produktionsleiterin Lena Kußmann, Regisseurin, Schauspielerin und künstlerische Leitung des Theaters an der Glocksee, verantwortlich. Entworfen hat das zweite Bid Book der Künstler und Designer Sebastian Peetz. Es ist eine Buchrolle, verschlossen in einer Zeitkapsel. Die Buchrolle besteht aus 100 DIN-A4-Seiten, die auf einer 21 Meter langen, gewebten Stoffbahn aneinanderhängen. Der Text enthält die Antworten auf die 45 Jury-Fragen, kommentiert aus der Zukunft und verziert mit Illustrationen, die sich um den Text schlängeln. Dafür hat der deutsch-französische Zeichner Lukas Hamilcaro Fotos von Hannover genommen und sie mit Zeichnungen um das im Projekt Geplante ergänzt und erweitert. Oberbürgermeister Belit Onay: "Wir überzeugen die Jury: Mit einem Buch aus der Zukunft für die Zukunft Europas."

In Hannover soll die "Agora of Europe" entstehen 

In Zeiten, in denen die Europäische Union vielleicht vor ihren größten Herausforderungen steht, kommt den Städten eine aktivistische Rolle zu. Vor Ort werden die drängenden sozialen, politischen und ökologischen Themen Europas verhandelt und neu gedacht. "Als starke Stadt wollen wir die gemeinsamen Werte Europas stärken", kündigt Oberbürgermeister Belit Onay bei der Vorstellung des hannoverschen Bewerbungsbuches zur Kulturhauptstadt Europas 2025 an. Als Plattform dafür soll in Hannover 2025 die "Agora of Europe" entstehen: ein künstlerischer Verhandlungsraum für die großen europäischen Themen, wo Menschen mobilisiert werden, eine Haltung zu entwickeln und aktiv zu werden. So wird Hannover zur transnationalen Aktivistin.

Hannovers Programm basiert auf drei Säulen

1. Die Mobile Agora auf dem Cityring
Der Cityring wird zur Bühne für die Mobile Agora, dem wandernden Festivalzentrum, das die ganze Stadt in eine Bühne verwandelt. Die aus zwölf Modulen bestehende Mobile Agora wandert auf dem Cityring wie ein langarmiges Kultur-Lebewesen durch Hannover. Wo sie andockt, aktiviert sie bestehende Gebäude und macht sie für vier Wochen zum Festivalzentrum mit Programm. Durch ihre Anwesenheit wird der Cityring transformiert. Sie blockiert, verändert den Verkehr – und schafft so die Möglichkeit, experimentelle Verkehrskonzepte auszuprobieren.

Die aus 90 Prozent recycelbaren Rohstoffen bestehenden Module lassen sich variabel zusammensetzen. Mal türmen sie sich auf, mal bilden sie einen Ring, mal schlängeln sie sich in die Straßen oder wuchern in Parks. Die Module treten einzeln und temporär bereits vor 2025 auf, um Vorfreude auf die Kulturhauptstadt zu machen. Die Wanderung der Mobilen Agora wird von künstlerischen Paraden begleitet.

2. Zwölf Spotlights
Und während das Kulturprogramm in der ganzen Stadt tobt, wirft die Mobile Agora von ihrer Station aus, einem Leuchtturmstrahl gleich, ein Spotlight in die Welt, die das Thema des Monats vorgibt.

Im Spotlight geht der Blick über die Ränder der Stadt, in die Stadtteile, die Region, in die europäischen Länder bis zu den EU-Außengrenzen und darüber hinaus. In diesen Spotlights stellen alle künstlerischen Projekte Bezüge zu Orten, Menschen und Themen in dem jeweils "ausgeleuchteten Spotlight" her. Dockt die Mobile Agora beispielsweise am Neuen Rathaus an, geht der Blick nach Süden, nach Döhren-Wülfel, Laatzen, über Göttingen bis an Italiens Westküste, dem Mittelmeer und nach Malta. Und damit könnte das vorherrschende Thema in dem Monat das sinnlose Sterben von Menschen im Mittelmeer sein.

3. Digitale Agora
Jenseits der Spotlights gibt es noch digitale Agoren, die keinen festen Ort haben.

Die digitalen Projekte der hannoverschen Bewerbung werfen neue Perspektiven auf das grundsätzliche Verhältnis von Gesellschaft und Technik. Dabei geht es nicht nur um die Zukunft der Arbeit und die Autonomisierung des Straßenverkehrs, sondern auch um den Einfluss von digitalen Plattformen auf die Diskurskultur und auf demokratische Wahlen. Die Corona-Pandemie als Katalysator hat viele Projekte hervorgebracht, die den (digitalen) Besuch Hannovers zu einer Reise in die Zukunft werden lässt.

Projekte

Von den 500 und mehr Projekten, die es in Hannover 2025 geben soll, sind im zweiten Bid Book 48 Projekte mit mehr als 210 lokalen, nationalen und internationalen Künstler*innen und Partner*innen zu den Themen Demokratie, Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Digitalisierung beispielhaft beschrieben. Für die Projekte zeichnet Hannovers Künstlerisches Team verantwortlich: Aljoscha Begrich (Maxim Gorki Theater), Benjamin Förster-Baldenius (raumlaborberlin), Robin Höning (endboss), Çagla Ilk (Kunsthalle Baden-Baden), Lotte Lindner & Till Steinbrenner (Künstlerpaar), Jean Peters (Peng! Kollektiv), Thomas Posth (Orchester im Treppenhaus).

Einige Beispiele 

Los!
geht es am Raschplatz, wo eine spektakuläre Brücke den Hinterausgang des Hauptbahnhofs mit der Hochstraße verbindet. Auf der begrünten und gesperrten Hochstraße entsteht in einem Landschloss aus alten VW-Bussen das offizielle Informationsbüro, das unter Einbindung aller gemeinnütziger Initiativen vor Ort betrieben wird. Hier spielt zur Eröffnung Hannovers Kulturhauptstadtbotschafter und Pianist Igor Levit auf. Auf einem leerstehenden Parkhausdeck in der Nähe entsteht das Hotel Europa mit unterschiedlich gestalteten Zimmern: Buden, Hütten, Lauben, Kisten, Zirkuszelte oder bewohnbare Raummodule.

UNESCO City of Music (UCOM):
Bei den UCOM-Festivals bringt Hannover jeden Monat eins der Ziele für eine nachhaltige globale Entwicklung zu Gehör. So geht es im Spotlight Frankreich mit Barockorchestern aus Hannover und Metz beim Agostino Steffani Einakter "Baccanali" um Geschlechtergerechtigkeit. Zum Thema Verschmutzung der Meere entwickeln Chöre, Performance-Künstler*innen und die NDR-Radiophilharmonie ein Konzert auf schwimmenden Plattformen im Maschsee und für das Thema Klimaschutz kooperieren Musiker*innen aus Hannover und Salvador in Brasilien.

"Wind of Change"-Benefizkonzert:
Das Benefizkonzert "Wind of Change" wird mit Blick auf die Situation im Mittelmeer die Frage stellen: bridges or walls?

Ihme-Zentrum:
Im Ihme-Zentrum soll in den brachliegenden Flächen des Hochhauskomplexes das "Internationale Zentrum für Künstlerische Forschung" (IZKF) entstehen. Unterschiedlichste Kulturaktiven von der Freien Szene bis zu traditionsreichen Institutionen wie der Staatsoper arbeiten hier auf Augenhöhe zusammen und entwickeln zusammen neue künstlerische Formate. Der Investor hat in einem Letter of Intent die Nutzung von Räumen und Flächen über die nächsten zehn Jahre zugesagt.

Von typisch hannöverschen Projekten über…
Die Hannoveraner (Pferde) erobern sich ihre Stadt zurück. Es werden mit Kunst Zentren der Macht enttarnt, mit Müll schwimmende Kulturzonen gebaut, im Deutschen Pavillon die japanische Edo-Periode (1600 bis 1867) wiederbelebt und in der Trollfabrik for Good Methoden und Kommunikationsstrategien gegen Fake News und Verschwörungstheoretiker*innen entwickelt.

die Region, nach Hildesheim, bis nach Europa und weiter…
Mit der Fahrt in S-Bahnen auf den Ringen der Region werden Perspektiven gewechselt, an Blind Spots mit internationalen Künstler*innen hörbar dem Erinnern gedacht, der Schwarm bringt zwölf mobile Ateliers europäischer Künstler*innen von Kommune zu Kommune, mit Hildesheim plant Hannover eine Tragschrauber-Reise quer durch Europa und es startet eine Fahrradbewegung, die bis zu Hannovers Partnerstadt Blantyre reicht.

Die nächsten Termine – alle digital  

  • 21. September: Abgabe 2. Bid Book
  • 19. Oktober: Jury-Besuch
  • 26. Oktober: Jury-Präsentation
  • 28. Oktober: Entscheidung Kulturhauptstadt Europas 2025