Statement

OB Onay über Gerichtsurteil gegen Ekrem Imamoglu

Im Rahmen des International Mayors Meeting im Rathaus von Istanbul hat sich Oberbürgermeister Belit Onay am 28. Dezember zum Politikverbot und der Verurteilung des Bürgermeisters von Istanbul geäußert. Die Rede im Wortlaut. 

Oberbürgermeister Belit Onay am 28. Dezember beim International Mayors Meeting in Istanbul. 

Lieber Amtskollege und Gastgeber Ekrem Imamoglu,
Sehr geehrter Herr Präsident von EUROCITIES, Herr Nardella,
Amtskolleg*innen Amtskolleg*innen aus den europäischen Städten, 
verehrte Pressevertreter*innen, 
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Einwohner*innen Istanbuls, 

mein Name ist Belit Onay. Ich stehe hier als Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Ich habe Herrn Imamoglu im Sommer dieses Jahres getroffen und wir haben uns über die Herausforderungen unserer Städte unterhalten und wie wir sie für unsere Bürger*innen bestmöglich lösen können. Städte sind mehr als Orte des Zusammenlebens. Sie sind Orte, in denen sich gesellschaftlicher Handlungsdruck und die Veränderungsbereitschaft kristallisieren. Städte sind Orte des Aufbruchs und des Neuanfangs. Sie bilden den Rahmen für ein anderes Miteinander. Welche Stadt wüsste das aus der Historie besser als Istanbul?

Sehr verehrte Damen und Herren, vor welchen Herausforderungen stehen wir? Vor Ort finden wir Antworten auf die Herausforderungen der abklingenden Pandemie. In den Städten koordinieren wir die Hilfe für viele Millionen Geflüchtete weltweit. Vor Ort bekämpfen wir die Klimakrise und passen uns an ihre Folgen an. Wir stellen uns darauf ein, dass die Krise zum neuen Normalzustand wird. 

Meine Damen und Herren, das, was vor uns liegt, wird uns alle mehr fordern, als das, was hinter uns liegt. Ob wir die Kraft aufbringen, die historischen Herausforderungen zu meistern, hängt deshalb stärker als je zu davon ab, ob wir als Gemeinschaft in der Lage sind, die notwendigen Entscheidungen zu treffen und diese dann auch durchzusetzen. 

Dies gelingt nur, wenn die Menschen in unseren Gemeinschaften der Überzeugung sind, dass es faire Chancen für alle gibt. Und dass diejenigen, die benachteiligt sind, die Solidarität ihrer Stadt erhalten. Drei Dinge sind hierfür von entscheidender Bedeutung: 
1. Gute Bildung für alle. Und das von Anfang an. Vom Kindergarten bis zur Universität!
2. Sozialer Ausgleich: Für alle, die besondere Herausforderungen zu meistern haben, brauchen wir Perspektiven.
3. Der Schutz von Minderheiten: Als Gesellschaft müssen wir besonders auf jene achten, deren Art zu leben, lange Zeit keine Akzeptanz fand, die diskriminiert wurden und werden, sei es aufgrund ihrer Herkunft, oder ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religion. Es sind alle dafür verantwortlich, dass sich die einzelnen in ihrem jeweiligen Leben gut, sicher und akzeptiert fühlen können.

Bildung, Gerechtigkeit und Minderheitenschutz: Sie schaffen Zusammenhalt. Und nur mit dem Rückhalt der Menschen, können wir dem Klimawandel oder der neuen globalen Unsicherheit entschieden entgegentreten.

Dafür steht Ekrem Imamoglu. Unter Bürgermeister Ekrem Imamoglu hat sich Istanbul unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen zu einer beispielgebenden Stadt weiterentwickelt. Die Menschen sehen und spüren das. Er wählt eine Sprache, die nicht trennt, sondern zusammenführt. Er arbeitet an einer lebenswerten Gegenwart und Zukunft für junge Generationen. Er schafft eine solidarische Stadt für alle Menschen und fördert den sozialen Zusammenhalt und er achtet Recht und Gesetz. Er macht einfach das, was gute Bürgermeister für die Menschen tun.

Über eine Sache habe ich bislang nicht gesprochen. Das ist die politische Legitimität. Oberbürgermeister*innen werden direkt vom Volk gewählt. In Deutschland gibt es kein Amt, das eine größere demokratische Legitimation hätte. Damit ist die legitime Erwartung, dass sie unmittelbar und konsequent vor Ort wirken. Die Städte sind deshalb Keimzellen der Demokratie. Und den Vertretern der Städte kommt deshalb in diesen Tagen eine besondere Verantwortung zu: Denn autokratische Regime brechen auf grausamste Art und Weise Kriege vom Zaun und ignorieren internationales Recht. Wie z.B. Wladimir Putins Russland. Staatliche Folter, Vergewaltigung und Todesurteile gegen das eigene Volk sowie die grundsätzliche Missachtung von Menschenrechten müssen wir auch in diesen Tagen beobachten: etwa im Iran. Zudem werden Wahlergebnisse nicht akzeptiert und das Gift des Populismus dringt selbst in die vermeintlich stabilsten Demokratien ein und wirkt dort verheerend. Wie in den USA.

Dabei ist klar: Ein Staat, der Menschrechte und Demokratie nicht achtet, wird über kurz oder lang die Quittung seiner Bevölkerung bekommen. Und eine Demokratie ohne Gewaltenteilung, ohne die Gewissheit von unabhängiger Gerichtsbarkeit, ohne das Selbstverständnis von begrenzten Wahlzeiten und der Akzeptanz von Wahlergebnissen und letztlich ohne Wehrhaftigkeit – eine solche Demokratie ist auf dem besten Weg sich selbst abzuschaffen.  

Gerade wir, die direkt gewählten Oberbürgermeister*innen, sind immer auch Botschafter*innen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Demokratie. Wir sind mehr als nur die Repräsentanten unserer Städte. Wir sind Repräsentanten eines politischen Systems, das Antworten finden muss und finden wird: Auf die Fragen der Zukunft, indem wir die Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Davon bin ich überzeugt.

Dafür steht Ekrem Imamoglu. Er ist Demokrat. Er ist in einer demokratischen Abstimmung direkt gewählt worden. Und das innerhalb kürzester Zeit sogar zweifach. Und das wichtigste: er stellt die Menschen in den Mittelpunkt seiner Politik. Und genau deshalb ist er beliebt und gibt den Menschen Hoffnung. Davon konnte ich mich bei jedem Besuch in dieser Stadt, beim Gespräch mit Menschen überzeugen. Umso unverständlicher und enttäuschender ist das Gerichtsurteil gegen ihn. Es gefährdet sein politisches Wirken. In einer Demokratie entscheiden nicht Gerichte darüber, wer Bürgermeister ist, sondern einzig und allein die Wähler*innen.

Saygıdeğer konuklar,
İstanbul Büyükşehir Belediye Başkanı Sayın Ekrem İmamoğlu, 
Sevgili Ekrem abi, 
Bugün farklı Avrupa ülkelerinden, birbirinden farklı kentlerin belediye başkanları olarak İstanbul’dayız. 
Şehirlerimiz farklı olsa da, ortak noktamız; inandığımız, temsil ettiğimiz ve savunduğumuz evrensel değerlerdir.
Bugün bu ülkenin, bu şehrin ınsanlarıyla ve en başta seninle olan dayanışmamızı dile getirmek için buradayız.
Daha aday olduğun dönemde insanlara vizyonunu kısa ve öz bir cümleyle özetlemiştin;
Her şey çok güzel olacak!
Buna biz de inanıyoruz: her şey çok güzel olacak.
Bunun için buradayız.

Herzlichen Dank!