Offensive gegen Antisemitismus

Auftaktveranstaltung der Offensive gegen Antisemitismus

Der Expert*innenkreis (v.l.n.r.): Dr. Rebecca Seidler (Liberale Jüdische Gemeinde Hannover), Alina Fejgin (Jüdische Gemeinde Hannover), Dr. Kay Schweigmann-Greve (Deutsch-Israelische Gesellschaft Hannover), Konstantin Seidler (Moderation), Kerstin Märländer (Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus der LHH), Daniel Kohn (WerteInitiative), Kiana Ghaffarizad (Amadeu Antonio Stiftung) und (rechts sitzend) Dr. Bettina Doering (Leiterin des Bereichs Migration und Integration)

Vorträge und Workshops zur Stärkung des Engagements gegen Judenfeindlichkeit.

Die Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus führte am 29. und 30. Januar 2019 eine Tagung zum Auftakt der Offensive gegen Antisemitismus durch. Hintergrund der Kampagne war ein Anstieg antisemitischer Beleidigungen und Gewalt gegen jüdische Menschen und Einrichtungen.

Dr. Bettina Doering (Leiterin des Bereichs Migration und Integration der Landeshauptstadt Hannover) begrüßte die knapp 120 Anwesenden und beschrieb die Entstehung der Offensive, die vom Stadtrat beschlossen worden war. Sie führte zusammen mit dem Moderator Konstantin Seidler (Netzer e.V.) durch das Programm.

Oberbürgermeister Stefan Schostok (Mitte) sprach das Grußwort zum Auftakt.

In seinem Grußwort zur Eröffnung der Offensive gegen Antisemitismus erinnerte Oberbürgermeister Stefan Schostok an die besondere Verantwortung in Deutschland, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Es sei alarmierend, dass sich jüdische Gemeinden besorgt über eine Vielzahl antisemitischer Vorfälle geäußert hätten. Um diese sichtbar zu machen, sei auch die Einrichtung einer Meldestelle geplant.

Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus begrüßte Hannovers Engagement in seinem anschließenden Grußwort. Die geplante Meldestelle für antisemitische Vorfälle sei ein wichtiger Schritt und könne anderen Kommunen als Vorbild dienen. Ziel müsse jedoch ein bundesweit flächendeckendes Melde- und Beratungssystem sein.

Marina Chernivsky beleuchtete die sozialpsychologische Perspektive antisemitischer Einstellungen.

Danach referierte Marina Chernivsky, Leiterin des Kompetenzzentrums der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, über „Antisemitismus in der Post-Holocaust-Gesellschaft“. Die Referentin erörterte die sozialpsychologische Dimension antisemitischer Einstellungen mit Bezug zur Bildungsarbeit.

Der nächste Tag der Tagung begann mit einer Vorstellung des Expert*innenkreises. Dieser war von der Landeshauptstadt Hannover einberufen worden, um an der Ausgestaltung der Offensive mitzuwirken. Der Kreis setzt sich zusammen aus Vertreter*innen der jüdischen Gemeinden, die aus der Perspektive der von Antisemitismus direkt Betroffenen sprechen können, sowie weiteren Organisationen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Antisemitismus befassen.

Die Expert*innen waren sich einig darin, dass Antisemitismus nicht auf das tatsächliche Verhalten von Jüdinnen und Juden zurückzuführen sei. In diesem Zusammenhang zitierte eine Teilnehmerin Jean-Paul Sartre, der 1945 schrieb: „Wenn es den Juden nicht gäbe, würde ihn der Antisemit erfinden“. Wichtig sei aus Sicht der Expert*innen, dass sich die Offensive verstetige.

Prof. Dr. Samuel Salzborn beim Vortrag

Nach der Runde erörterte Prof. Dr. Samuel Salzborn (Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin) die aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus und ihre historischen Hintergründe. Der Referent warnte vor einer Vereinfachung der Debatte. Durch die verstärkte Nutzung sozialer Medien seien antisemitische Haltungen sichtbarer geworden. Darüber hinaus hätten sie einen verstärkenden Effekt, weil judenfeindliche Weltbilder erschreckend viel Zustimmung fänden – dies führe dazu, dass Antisemiten sich im Netz bestätigt fühlten.

Doch dies sei nicht allein ein zivilgesellschaftliches Problem, denn eine Sensibilität gegenüber Antisemitismus sei längst nicht bei allen Institutionen vorhanden, was die Aufklärung erheblich erschwere. So wurde zum Beispiel im Jahr 2014 in Wuppertal ein Anschlag auf eine Synagoge nicht als antisemitische Straftat, sondern als einfache Sachbeschädigung eingeordnet.

Salzborn fuhr fort mit einer Analyse der Debatten um den Nahostkonflikt – ein Thema, das das antisemitische Herz höher schlagen lasse. Hier würden vielfach Opfer zu Täter*innen umgedeutet, gern auch mit hanebüchenen Vergleichen zwischen dem Nationalsozialismus und der aktuellen Politik der israelischen Regierung.

Nach dem Vortrag teilten sich die Teilnehmer*innen in Gruppen auf, um Vorträge zu gesellschaftlichen (Teil-)Bereichen zu hören, in denen antisemitische Einstellungen und Übergriffe besonders häufig vorkommen. In der anschließenden Phase diskutierten sie konkrete Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Antisemitismus. Zum Abschluss der Tagung konnten die Teilnehmenden Anregungen und Wünsche an die Expert*innen und Organisator*innen äußern.

Der Expert*innenkreis wird sich weiterhin treffen, um die Einrichtung der Meldestelle zu begleiten und die nächsten Maßnahmen der Offensive gegen Antisemitismus zu planen.