Stadthistorie
Stadt Hannover enthüllt fünf Stadttafeln an zentralen Stellen in der Innenstadt
Die Landeshauptstadt Hannover hat am Donnerstag, dem 1. Juli 2021 fünf alte Bestandstafeln durch neue Stadttafeln ersetzt. Die Stadttafeln kennzeichnen stadthistorisch bedeutsame Bauwerke, weisen auf bedeutende Architektur hin und machen Orte erfahrbar, an denen bekannte Persönlichkeiten geboren sind oder wohnten.

Enthüllung der Stadttafel "Wangenheimpalais" durch Bürgermeisterin Regine Kramarek
Die erste Stadttafel hat Regine Kramarek, Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Hannover, am Wangenheimpalais enthüllt: "Die hannoverschen Stadttafeln gibt es seit den 1960er Jahren in Hannover. An jeder Stadttafel können sich Einwohner*innen und Besucher*innen über stadthistorisch bedeutsame Bauwerke oder bedeutende Architektur informieren und sie machen Orte erfahrbar, an denen bekannte Persönlichkeiten geboren sind oder wohnten. Mit der sukzessiven Erweiterung und Erneuerung der Tafeln wird es in Zukunft möglich sein, an noch mehr Orten in unmittelbaren Kontakt mit Hannovers Stadtgeschichte zu kommen."
Im Anschluss wurden sukzessive vier weitere Stadttafeln enthüllt oder neu angebracht.
- Laveshaus, Friedrichswall 5, Robert Marlow, Präsident Architektenkammer Niedersachsen
- Neues Tor, Leintorbrücke Schlossstraße, Bezirksbürgermeisterin Cornelia Kupsch
- Kreuzkirche, Kreuzkirchhof 3, Kirchenvorstand Marktkirche
- Neues Haus, Bezirksbürgermeisterin Cornelia Kupsch
Die hannoverschen Stadttafeln gibt es auf Initiative von Rudolf Hillebrecht. Inzwischen wurde das Stadttafelprojekt neu aufgegriffen: Auch um ihre touristische Attraktivität zu erhöhen, werden die ursprünglich 134 Tafeln erneuert, indem sie um historische Bilder und englische Kurztexte ergänzt werden. Zusätzlich wird ihre Anzahl sukzessive erhöht.
Insgesamt soll eine Anzahl von rund 200 Tafeln erreicht werden. Dadurch werden in der Vergangenheit diagnostizierte Lücken gefüllt. So fehlen beispielsweise Hinweise auf bekannte Persönlichkeiten, die in Hannover gelebt haben. Hierbei soll insbesondere ein Fokus auf die bisher unterrepräsentierte Gruppe der Frauen gelegt werden. Anders als
beim "Roten Faden" sind die Stadttafeln nicht allein im Zentrum Hannovers, sondern auch in den Stadtteilen vertreten.
Jeder Tafelhängung geht eine historisch-fachliche Überprüfung voraus, um die aktuell historischen Einordnungen zu berücksichtigen. Zusätzlich werden immer die Gebäudeeigentümer*innen und gegebenenfalls vorhandene Initiativen und Fachleute für den Text über Personen, Orte oder Themen beteiligt. Insgesamt wird durch diese Bearbeitung ein Fundus an historischem Wissen zusammengetragen, der zu einem späteren Zeitpunkt auch digital als vertiefendes Material zugänglich gemacht werden
soll.
Themenspektrum der Stadttafeln
Das Themenspektrum der Stadttafeln reicht weit zurück bis ins Spätmittelalter, besonders jedoch in die Frühe Neuzeit und beinhaltet beispielsweise:
- Persönlichkeiten, wie zum Beispiel August Wilhelm Iffland, Georg Friedrich Händel, Jeremias Sutel,
- die historische Stadtbefestigung mit Stadtmauer, Stadtmauerturm und Stadttore wie Inneres Aegidientor und Inneres Leinetor,
- Schloss, Nebengebäude und Parkanlagen in Herrenhausen mit Bibliothekspavillon, Galerie, Orangerie und Georgenpalais (Museum Wilhelm Busch),
- Marktkirche oder Neustädter Hof- und Stadtkirche sowie
- weltliche Bauten in der Altstadt wie Brauergilde Amtshaus, Fachwerkhäuser Burgstraße und Teile vom Haus der Väter.
Aber auch die Neuere Geschichte Hannovers – besonders des 19. und 20. Jahrhunderts – soll sich in den Stadttafeln widerspiegeln. Auch hier bilden historische Persönlichkeiten einen Schwerpunkt, nicht zuletzt namhafte Frauen wie zum Beispiel Grete Jürgens, Yvonne Georgi, Niki de St. Phalle oder bekannte Paare wie Ada und Theodor Lessing oder Käte und Ernst Steinitz.
Außerdem wird es auch zusätzliche und erneuerte Stadttafeln zu bedeutenden historischen Bauten, wie zum Beispiel dem Anzeiger-Hochhaus und den Höger-Bauten in der Südstadt, dem Neuen Rathaus, dem Künstlerhaus oder der Stadtbibliothek geben.
Im zweiten Halbjahr 2021 stehen noch Besonderheiten der hannoverschen Baugeschichte auf der Stadttafel-Agenda: Dazu gehören zum Beispiel die denkmalgeschützte genossenschaftliche Arbeiterwohnsiedlung Menzelstraße/Schnabelstraße in Obericklingen oder die Nachkriegsbebauung am Mühlenberg.
Informationen Wangenheimpalais
Das Wangenheimpalais gilt als eines der bedeutendsten klassizistischen Bauwerke in Hannover.
Es wurde von 1829 bis 1833 nach Plänen des hannoverschen Hofbaumeisters Georg Ludwig Friedrich Laves als Wohnhaus für den Oberhofmarschall Georg v. Wangenheim errichtet. 1844 erfolgte – ebenfalls unter Laves – an der Stirnseite zum Friederikenplatz der Anbau des "Greenhouse", einem zweigeschossigen Wintergarten mit halbkreisförmigem Grundriss.
Nach dem Tod des Hausherrn im Jahre 1851 wurde das Gebäude als Wohnsitz für die welfische Königsfamilie unter Georg V angekauft. Die Bezeichnung lautete nun „Residenz-Palais“, auch „Neues Palais“. Es wurde durch Zukauf von benachbarten Bauten links und rechts erweitert.
Im Zuge der Verlegung der königlichen Residenz nach Herrenhausen erwarb der Magistrat der Stadt Hannover das Gebäude und nutzte es ab 1863 als Rathaus, bis 1913 das heutige Neue Rathaus bezogen werden konnte.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Wangenheimpalais bei einem Luftangriff zerstört, jedoch ab 1953 ohne die Nebengebäude wiedererrichtet und diente weiterhin städtischen Zwecken.
Mit den unterschiedlichen Eigentümern wechselten auch die Wappen im Giebeldreieck: dort war ursprünglich das Wangenheimsche angebracht, danach das königliche und später das Stadtwappen.
Seit 1957 hat das Niedersächsische Wirtschaftsministerium (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung) dort seinen Sitz.
Die besondere Ecklage des Gebäudes als Gelenkpunkt zwischen Friedrichswall, Friederikenplatz und Waterlooplatz trägt zusätzlich zu dessen architektonischer Wirkung bei.
Informationen Laveshaus
Der Architekt, Stadtplaner und Bauingenieur Georg Ludwig Friedrich Laves (1788 bis 1864) beeinflusste maßgeblich die Stadtentwicklung Hannovers. Sein Wirken als führender Architekt des Königreichs Hannover dauerte fast 50 Jahre.
Vor nahezu 200 Jahren ließ er am heutigen Friedrichswall 5 sein eigenes Wohnhaus errichten, nachdem er 1822 die aus wohlhabender Familie stammende Wilhelmine Kestner (1803 bis 1855) geheiratet hatte. Die Tochter des Archivars und Bankiers Georg Kestner bekam das Grundstück als Mitgift in die Ehe.
Nach der Fertigstellung bewohnte Laves bis zu seinem Lebensende mit der Familie das 3. Obergeschoss und vermietete die unteren beiden Etagen einschließlich der sogenannten Bel-Etage an namhafte Persönlichkeiten.
1855 ließ Laves für seinen Sohn, den Kunstmaler George, an der westlichen Grundstücksgrenze ein kleineres, zunächst zweistöckiges Atelierhaus errichten, das 1862 bis 1863 zur Straßenseite hin um ein Wohnhaus erweitert und 1873 nochmals aufgestockt wurde. Es orientiert sich stilmäßig stark am Haupthaus.
Nach Laves Tod blieb das Grundstück zunächst in Familienbesitz. 1908 erwarb es die Stadt Hannover und richtete dort das städtische Gesundheitsamt ein. Beide Häuser blieben im Zweiten Weltkrieg unversehrt. Nach 1945 zogen weitere städtische Ämter, wie das Fremdenverkehrs- und das Presseamt, ein.
1996 erwarb die Architektenkammer Niedersachsen das Haus und machte es zu ihrem Sitz sowie dem der Lavesstiftung. Zuvor wurde es unter Beachtung der Denkmalpflege grundlegend saniert.
Das Gebäude ist bis heute ein Beispiel bester klassizistischer Wohnhausarchitektur in Hannover.
Informationen Neues Tor
Das Neue Tor wurde 1833 vom damaligen Baumeister im hannoverschen Kriegsministerium, dem Architekten und Hochschullehrer Ernst Ebeling (1804 bis 1851), entworfen.
Ebelings bekanntestes in Hannover erhaltenes Bauwerk ist das Haus der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft (1846 bis 1849 erbaut), in dem sich heute die Börse befindet.
Zum Zeitpunkt seiner Errichtung stand Ebelings Neues Tor auf der Waterloostraße kurz vor der Kreuzung mit der heutigen Straße Am Schützenplatz (früher Ohestraße). Die Bruchmeisterallee hieß dementsprechend zeitweise "Vor dem neuen Tore".
Die vier erhaltenen Sandsteinpfeiler – die beiden inneren mit markanten altgriechischen Hoplitenhelmen dekoriert – waren Teil eines Ensembles, zu dem zwei flankierende Wachhäuser gehörten. Das östliche wurde 1895, das westliche ca. 1960 abgerissen, die vier verbliebenen Torpfeiler 1961 an den heutigen Standort in der Schlossstraße versetzt.
Das Neue Tor gehörte zu einer Gruppe weiterer Tore, die vorrangig zur Erhebung der landesfürstlichen Akzise und Kontrolle des Verkehrs genutzt wurden. Bei der Akzise handelte es sich um eine Mischung aus Verbrauchs- und Einfuhrsteuer, die Herzog (später Kurfürst) Ernst August 1686 als neue zusätzliche und dauerhafte landesweit erhobene Steuer eingeführt hatte, um seine steigenden Ausgaben zu finanzieren.
Zu diesen im Stil der Zeit neu gestalteten repräsentativen Toranlagen an den Straßen von und nach Hannover, die in der Regel von Wachgebäuden flankiert wurden, gehörten auch das neue Aegidientor, das neue Steintor, das neue Clevertor und das neue Calenberger Tor.
Informationen Kreuzkirche
Die evangelisch-lutherische Kreuzkirche (Schloss- und Stadtkirche St. Crucis) ist – neben der Marktkirche und der Aegidienkirche – eine der drei hannoverschen Pfarrkirchen innerhalb des mittelalterlichen Mauerrings. Sie wurde ab 1320 errichtet und 1333 als Kirche St. Spiritus et Crucis geweiht, der Name aber bald auf St. Crucis verkürzt. Ihre Gottesdienste fanden zunächst in der Kirche des nahen Heiligen-Geist-Spitals an der nördlichen Mündung der Knochenhauerstraße und der Schmiedestraße statt. 1496/97 erfolgte der Anbau der St. Annenkapelle auf der Nordseite des Chorhauses.
Die geänderte, evangelische Liturgie führte nach der Reformation zu einem gesteigerten Bedarf an Sitzplätzen. Ab 1560 kam es zu einem durchgreifenden Umbau der hannoverschen Kirchen. Neue Baustile wurden regelmäßig aufgegriffen und die Kirchen immer wieder baulich angepasst.
Der bei einem Sturm 1630 zerstörte gotische Turmhelm wurde 1652/53 durch die heutige Laternenhaube ersetzt. An deren Finanzierung war der Kaufmann und Ratsherr Johann Duve maßgeblich beteiligt und erhielt für seine Verdienste um die Stadt Hannover das Recht zum Bau einer eigenen Grabkapelle an der Kreuzkirche, die 1655 durch den Baumeister Adrian Siemerding realisiert wurde.
Die Altstadt um die Kreuzkirche herum war seit jeher eng, feucht und überbevölkert. Nach der Sanierung ab 1938 erhielt das Viertel durch die Ansiedlung der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel zeitweise eine stark politische Prägung.
Nach schweren Beschädigungen im Zeiten Weltkrieg wurden die Kreuzkirche 1959/61 in vereinfachter Form – ohne die St. Annenkapelle und das nördlich Seitenschiff – wiederaufgebaut und diente seit 1960 unter der Bezeichnung "Schloss- u. Stadtkirche St. Crucis" auch als Heimstätte für die Personalgemeinde der zerstörten Schlosskirche und die Evangelischen Studentengemeinde.
Anfang der 1980er Jahre wurden die Innenstadtgemeinden zur Marktkirchengemeinde vereinigt und die Pfarrstellen zusammengeführt. Die Kreuzkirche blieb neben der Marktkirche Predigtstätte.
Informationen Neues Haus
Das Neue Haus war über 200 Jahre ein beliebtes Ausflugsziel der hannoverschen Bevölkerung. Mit der Zeit wechselte die architektonische Ausgestaltung der Gaststätte am Rande der Eilenriede: 1712 als Quarantänestation für Pestkranke konzipiert, wurde das einfache Fachwerkhaus 1714 als Gasthaus verpachtet, da die Seuche Hannover nicht erreicht hatte.
Das Ausflugslokal am Schiffgraben erlangte schnell Beliebtheit beim hannoverschen Bürgertum als Weinschenke und Kaffeehaus. Im Laufe der Jahre kam mit Theateraufführungen und Konzerten kulturelle Unterhaltung hinzu. Auch Tiere wurden im Garten des Neuen Hauses provisorisch beherbergt bis im Mai 1865 der Zoo eröffnete.
Die städtische Bebauung hatte Mitte des 19. Jahrhunderts bereits den Eilenriede-Rand erreicht und das Neue Haus durch Königstraße und Schiffgraben mit der Ernst-August-Stadt verbunden.
1894 wurde das ursprüngliche Neue Haus abgebrochen und durch einen repräsentativen Neubau ersetzt. Der Architekt Paul Rowald passte es den gestiegenen Erwartungen des städtischen Bürgertums an und stattete es mit Terrasse, Konzertgarten und Parkanlagen aus. Die Gartengestaltung erfolgte durch den späteren Gartendirektor Julius Trip.
Nach dem Ersten Weltkrieg und besonders mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre nahm die Beliebtheit der Gaststätte ab. 1933 wurde der Platz Am Neuen Hause nach dem preußischen General der Infanterie, Otto von Emmich umbenannt, das Ausflugslokal 1936 geschlossen und 1937 der NS-Frauenschaft als "Haus der Frau" übergeben.
Im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, wurde das Neue Haus nach 1945 wiederhergestellt und ab 1948 von der Stadt Hannover als Ausflugslokal mit großem Kaffeegarten (1.100 Plätze) betrieben. Später nutzte die Landesbühne Hannover das Gebäude, bis es 1970 für den Neubau der Hochschule für Musik und Theater abgerissen wurde.
Teile der Arkaden sind erhalten und als Erinnerung an diese alte hannoversche Sehenswürdigkeit wieder errichtet worden. Sie stehen unter Denkmalsschutz.
Im Jahr 2019 wurde der Emmichplatz auf Beschluss des Stadtbezirksrats Mitte zu "Neues Haus" umbenannt.