Oberbürgermeister Belit Onay zu den Ergebnissen: "Ich freue mich sehr über die große Resonanz zu dieser Umfrage. Es zeigt die Bedeutung des Themas in der Stadt und für die Stadtgesellschaft. Besonders hervorzuheben ist die große Beteiligung von persönlich betroffenen Menschen. Dies ermöglicht uns an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete Angebote zu entwickeln. Die vorgestellten Ergebnisse machen zudem deutlich, dass die neueren Angebote, beispielsweise Housing-First-Projekte, das Modellprojekt Plan B OK und Straßensozialarbeit speziell für Frauen, in die richtige Richtung gehen. Gleichzeitig wird aber auch der Handlungsbedarf sichtbar, etwa beim Thema 'Mehrsprachigkeit' von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Diese Formate ermöglichen es uns, die Menschen noch passgenauer zu unterstützen. Ich danke allen Beteiligten für ihre Zeit und die wertvollen Informationen."
Sozialdezernentin Sylvia Bruns unterstreicht: "Insbesondere die Online-Umfrage, aber auch das für Juli 2021 geplante Bürgerpanel ergänzen bereits vorhandenes Wissen und Erkenntnisse über die Situation und Lebenslage wohnungsloser Menschen sowie über die Vielfalt der Haltungen zum Thema Wohnungslosigkeit. Diese Formate sind wichtige Beteiligungsangebote, neben dem neuen Format 'Runder Tisch Wohnungslosigkeit'".
Eckdaten der Umfrage
Die Umfrage richtete sich sowohl an Menschen mit festem Wohnsitz als auch explizit an wohnungslose Menschen. Der Fragebogen enthielt je nach Filterfunktion bis zu vierzehn Fragen u. a. auch die Abfrage zu soziodemographischen Eckdaten. Um auch nicht deutschsprachigen, wohnungslosen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, wurde die Befragung durch 16 (mehrsprachige* Interviewer*innen unterstützt, darunter Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, [Straßen-] Sozialarbeit, Integrationsmanagement, Koordinierungsstelle Südosteuropa) sowie Ehrenamtliche. Die Interviewer*innen waren eine Woche lang im Stadtgebiet an 20 Standorten unterwegs. Sie suchten – jeweils zu zweit - zu unterschiedlichen Tageszeiten Einrichtungen auf, die sich an wohnungslose Menschen oder drogenkonsumierende Menschen richten, meist in der Innenstadt und in Bahnhofsnähe, aber auch an Unterkünften. Mit Tablets ausgestattet, konnten auf diese Weise auch Menschen erreicht werden, die über kein eigenes Smartphone oder Internet verfügen.
Teilgenommen haben 1.030 Personen mit festem Wohnsitz und 331 Personen ohne festen Wohnsitz. Unter den 331 wohnungslosen Menschen waren 211 Männer, 59 Frauen und 4 diverse Menschen. Die Teilnehmenden waren überwiegend im Alter von 35 bis 54 Jahren. Es handelte sich dabei zum großen Teil um alleinlebende Männer, aber auch um Paare oder Familien mit minderjährigen Kindern.
Unter den 1.030 Teilnehmer*innen mit festem Wohnsitz waren vorwiegend Frauen, im Alter von 25 und 64 Jahren und ohne Migrationshintergrund. Nahezu alle sind deutschsprachig. Drei Viertel der Befragten haben ihren Wohnsitz in Hannover (vorwiegend in Linden, Südstadt und List) knapp ein weiteres Fünftel wohnt in einer anderen Kommune der Region.
* Sprachen (neben Deutsch): Polnisch, Russisch, Rumänisch, Bulgarisch, Englisch, Spanisch
Ergebnisse der Befragung von Menschen ohne festen Wohnsitz
- Fast drei Viertel (73 Prozent) der wohnungslosen Menschen sucht eine Wohnung. Die am häufigsten genannten Probleme bei der Wohnungssuche waren der Preis ("zu teuer"), Schulden- oder Schufa-Einträge oder "das schaffe ich nicht alleine" (jeweils über 40 Prozent der Nennungen, Mehrfachnennungen waren möglich). Auch die Antwort "Vermieter wollen mich nicht" wurde von über einem Drittel als Problem angegeben. Fast ein Fünftel der Befragten gab an, dass sie keinen Anspruch auf eine Wohnung in Hannover haben.
- Jeweils fast zwei Drittel antwortete auf die Frage "Brauchen /möchten Sie Unterstützung bei der Wohnungssuche?" mit "ja, jemand, der sucht" oder "ja, jemand der begleitet". Fast ein Viertel gab an, dass "sprachliche Hilfen" zur Unterstützung bei der Wohnungssuche benötigt werden (Mehrfachnennungen möglich).
- Rund 27 Prozent der Antwortenden sucht nachts eine Notunterkunft auf. Jeweils rund ein Viertel gibt an, sich "irgendwo draußen" aufzuhalten oder in einer "festen Unterkunft für wohnungslose Menschen". Etwa 15 Prozent gab an, nachts bei "Freunden oder Bekannten" zu sein oder "das möchte ich nicht sagen"
- Auf die Frage nach Hilfen in der aktuellen Situation, entfielen die meisten Antworten - abgesehen von einer "eigenen Wohnung" (73 Prozent) - auf Soziale Arbeit (51 Prozent), medizinische Versorgung (44 %) Unterkünfte mit Einzelzimmer (42 %) sowie Information und Beratung (32 Prozent), Essensausgaben / Tafeln (32 Prozent), Therapieplätze (z.B. Sucht- oder Psychotherapie), (31 Prozent).
- Zu konkreten Maßnahmen, die die individuelle Situation verbessern würden, wurde am häufigsten der Wunsch nach deutlich mehr bezahlbarem Wohnraum im Stadtgebiet geäußert, aber auch nach mehrsprachiger Unterstützung und Beratung.
- Vereinzelt gab es Hinweise auf Gewalterfahrungen innerhalb und außerhalb von Unterkünften oder Rassismus Erfahrungen, auch auf dem Mietwohnungsmarkt.
Ergebnisse der Befragung von Menschen mit festem Wohnsitz
- "Nehmen Sie Wohnungslosigkeit in Hannover wahr?" richtete sich als erste Frage an die Menschen mit festem Wohnsitz. Nahezu alle Befragten unabhängig von Geschlecht, Alter oder Migrationshintergrund gaben an, Wohnungslosigkeit in der Stadt Hannover wahrzunehmen, sei es im Stadtbild, in Kenntnis der Orte für Hilfsangebote oder über die Medienberichterstattung.
- Mehr als die Hälfte der Antwortenden nannte den Stadtteil Mitte als Ort, an dem Wohnungslosigkeit wahrgenommen wird. Angegeben wurden Standorte rund um den Kröpcke, am Opernplatz und in Bahnhofsnähe. Einen Stadtteil außerhalb der Innenstadt nannten ebenfalls mehr als die Hälfte der Antwortenden. (Absteigend: Linden, List, Oststadt, Nordstadt, Südstadt)
- Einen ganz konkreten Ort in der Innenstadt, an dem sich wohnungslose Menschen aufhalten, nannten 436 Befragte. 289 Befragte gaben einen konkreten Ort in einem anderen Stadtteil Hannovers an.
- Wohnungslose Menschen werden an den konkreten Orten mehrheitlich wie folgt angetroffen: täglich, im ganzen Jahr, den ganzen Tag. Es handelt sich vorwiegend um Erwachsene (ohne Kinder /keine Senior*innen), darunter vor allem Männer. Es wurden aber auch Jugendliche und junge Erwachsene wahrgenommen.
- Fast 70 Prozent der Befragten ist es "sehr wichtig", dass es Hilfen und Unterstützung für wohnungslose Menschen in Hannover gibt.
- Jede*r sechste Befragte gab an, sich bereits ehrenamtlich in der Wohnungslosenhilfe zu engagieren, gut ein weiteres Viertel kann es sich vorstellen, ehrenamtlich für wohnungslose Menschen tätig zu sein.
- Zielgruppen, für die sich die Befragten besonders einsetzen möchten, sind vor allem Frauen, Kinder und Jugendliche, Familien/Eltern, Suchtkranke oder wohnungslose Menschen bestimmter Nationalität bzw. Sprache.
- Zur Frage der Eröffnung eines neuen Hilfsangebotes in der Nachbarschaft, sagten zwei Drittel "gut, es muss Hilfen geben", weitere rund 20 Prozent fänden dies "gut" und würden sich dort engagieren wollen. Ebenfalls gut 20 Prozent fänden dies "gut", sorgen sich aber um Probleme in der Nachbarschaft. Sechs Prozent der Teilnehmenden sprach sich dagegen aus. Laut Umfrage stehen Frauen einem solchen Hilfsangebot positiver gegenüber, ebenso Befragte mit Migrationshintergrund und auch junge Menschen. Je älter die Befragten sind, desto eher gab es Bedenken oder Ablehnung.
Hintergrundinformation
Bürgerpanel: Regelmäßige (Online-)Befragungen von Einwohner*innen. Das Bürger-Panel Hannover besteht seit 2012. In ihm sind zurzeit 2350 Einwohner*innen Hannovers in repräsentativer Zusammensetzung (Alter und Geschlecht) vertreten. Sie werden regelmäßig zu aktuellen stadtpolitischen Themen befragt, ca. 80 Prozent online.