Leibniz Universität

Aufarbeitung und Gedenken

Die neue Ausgabe von Unimagazin, dem Forschungsmagazin der Leibniz Universität, befasst sich mit Geschichte der Technische Hochschule Hannover im Nationalsozialismus.

Historische Ansicht des Welfenschlosses, des Hauptgebäudes der TU Hannover, der Vorgängerinstitution der Leibniz Universität Hannover.

Das aktuelle Unimagazin der Leibniz Universität Hannover ist erschienen und befasst sich umfassend mit der Rolle ihrer Vorgängerinstitution, der Technischen Hochschule Hannover, in der Zeit des Nationalsozialismus. 16 Beiträge beleuchten die Thematik und die Aufarbeitung der damals geschehenen Unrechtsmaßnahmen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Komprimierte Zwischenbilanz

Die Leibniz Universität ist hinsichtlich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit sicherlich keine Vorreiterin, ganz im Gegenteil. Viele Hochschulen haben sich vielmehr bereits früher mit dem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte in vielfältiger Weise auseinandergesetzt. Daher ist dem vorherigen Präsidium zu danken, dass es die Aufarbeitung der Rolle unserer Universität beziehungsweise ihrer Vorgängerinstitution in der Zeit des Nationalsozialismus im Jahr 2011 endlich angegangen ist. Eine dafür eigens zusammengesetzte  Senatsarbeitsgruppe sichtete über einen Zeitraum von fast fünf Jahren in akribischer Weise Literatur und Archive und erhob mit großer wissenschaftlicher Expertise die am Ende in der Publikation "Nationalsozialistische Unrechtsmaßnahmen an der Technischen Hochschule – Beeinträchtigungen und Begünstigungen von 1933 bis 1945" niedergelegten Befunde. Dabei konnte die Arbeitsgruppe sich auf eine Reihe thematisch einschlägiger Forschungsarbeiten in Form von Dissertationen und Masterarbeiten stützen, die bereits vorlagen, und mit ihrer Arbeit noch vorhandene Lücken schließen. Das Magazin möchte dem Lesenden somit eine Art komprimierter Zwischenbilanz der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rolle der Technischen Hochschule Hannover im Nationalsozialismus anbieten.

Interview beleuchtet Anfänge der Forschung

Geschichtswissenschaft ist immer auch ein Spiegel der gesellschaftspolitischen Lage und bringt eigene Strömungen und Trends hervor. Ein Interview mit Professorin Adelheid von Saldern, dem Universitätspräsidenten a.D. Professor Erich Barke und den Mitgliedern der Senats-Arbeitsgruppe Professor Holger Butenschön und Professor Michele Barricelli beleuchtet die Anfänge, die Schwierigkeiten und den Verlauf der Aufarbeitung an unserer Universität und bettet sie in die Entwicklung der Geschichtswissenschaft ein.

Geschichte der NS-Zeit beginnt vor 1933

Die Geschichte der NS-Zeit beginnt nicht erst im Jahr 1933: Das belegen die ersten vier Beiträge dieses Magazins, die sich mit der politischen Einstellung von Professoren und Studenten sowie der Bedeutung des Hochschulsports beschäftigen. Dabei kann der weithin bekannte Fall der Vertreibung von Professor Theodor Lessing im Jahr 1925 durchaus als Auftakt für die Zeit nach 1933 gelten. Die folgenden zwei in einer Publikation bereits ausführlich veröffentlichten Berichte der Senatsarbeitsgruppe befassen sich mit den "Beeinträchtigungen und Begünstigungen von 1933 bis 1945". Mit dem Kunsthistoriker Alexander Dorner und dem Maschinenbauingenieur Werner Osenberg stehen schließlich zwei Professoren im Mittelpunkt, deren Lebensläufe während der NS-Zeit ganz unterschiedliche Richtungen einschlugen. Der Part von vier Studierenden präsentiert schließlich ausgewählte Ergebnisse eines Forschungsseminars und macht deutlich, dass es weiterhin Aspekte und Themen gibt, die noch unerforscht sind. Abschließend geht es um die Interpretation der NS-Vergangenheit an der Technischen Hochschule Hannover nach 1945 sowie um das Thema "Universitäten und Erinnerungskultur".

Otto Franzius und Eduard Pestel

Dass die Aufarbeitung der Geschichte einer Institution auch nach langer Zeit noch wirksam werden kann, zeigt die Reaktion der Leibniz Universität auf die Forschungsergebnisse zu zwei ehemaligen Rektoren der Technischen Hochschule Hannover: Professor Otto Franzius, dem früheren  Namensgeber des Instituts für Wasserbau und Rektor von 1933 bis 1934 sowie Professor Eduard Pestel (Mechanik und Regelungstechnik), Rektor von 1969 bis 1970 sowie Minister für Wissenschaft und Kunst des Landes Niedersachsen (1977 bis 1981) sowie ehemaliger Direktor der Technion Gesellschaft. Hier haben die Befunde zu deutlichen Maßnahmen der Leibniz Universität geführt: Um eine eindeutige Distanzierung zu Otto Franzius und vor allem um eine Unmissverständlichkeit hinsichtlich der Zusammenhänge in der Namensgebung des Instituts zu erzielen, hat das Institut seit dem 16. November 2016 die Denomination Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen. Im Hinblick auf den ehemaligen Rektor Pestel wurde eine gemeinschaftliche Erklärung mit der Deutschen Technion Gesellschaft herausgegeben. Die Untersuchungen zu den Rektoren haben Unterlagen zutage gefördert, die belegen, dass Eduard Pestel sich während der NS-Zeit in einer aus heutiger Sicht inakzeptablen Weise verhalten hat. Die in einem Brief von 1938 enthaltenen Äußerungen, insbesondere jedoch die auf einem beigefügten Blatt, müssen als antisemitisch gewertet werden. Die Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover und die Deutsche Technion-Gesellschaft e. V. distanzieren sich nachdrücklich von diesen Äußerungen.

Download

Das aktuelle Unimagazin der Leibniz Universität steht auf den Seiten der Hochschule zum Download bereit.

(Veröffentlicht: 21. Juni 2017)