Die Ausstellung des Museums für Textile Kunst setzt sich bis zum 3. September kritisch mit der historischen Entwicklung der Kleiderherstellung vom überbordend verzierten Rokoko bis zur Wegwerf-Fashion von heute auseinander.
Schwarzes Cape von Mme Grès, Dollarnotenmantel entworfen und angefertigt von Stella Stein-Schneider/@herstella__ für Andora und Modellkleid von E. Knoop (von links nach rechts)
Rokoko
Die Mode des Rokokos begann mit dem Ende des absolutistischen Modediktats durch den Sonnenkönig Louis XIV und erblühte in überbordenden Verzierungen, deren Leichtigkeit die darin enthaltene harte Handwerksarbeit nicht anzusehen ist.
Robe à la Français und Justaucorps – die typische Kleidung des Rokoko um 1760.
Industrialisierung
Als die Textilherstellung durch Joseph-Marie Jacquards Erfindung des lochkartengesteuerten Webstuhls 1805 das Zeitalter der Automatisierungen und der Industrialisierung einleitete, waren die feinen und zarten Stoffe nicht mehr ausschließlich dem Adel vorbehalten und für die Textilarbeiter wurde der Arbeitsplatz von der heimischen Handwerksstube an große Maschinen in noch größeren Fabriken verlagert. Die fortschreitende Technisierung gab der Modeindustrie immer weiter Aufschwung. Die Erfindung der Fotografie unterstützte die schnelle Verbreitung der aktuellsten Modeneuheiten und die Entdeckung synthetischer Farbstoffe und synthetischer Fasern erweiterten die Vielfalt des Stoffangebots enorm.
Haute Couture
Massen an Menschen produzierten Massen an Stoffen und die, die davon profitierten, präsentierten ihren neuen Reichtum über die Garderobe ihrer Frauen, deren Kleider nicht bequem, sondern teuer, aufwendig und voluminös waren. Die in der Gründerzeit in Deutschland entstandene Schicht der Neureichen zeigte ihr Vermögen bevorzugt in Tournürenkleidern und langen Schleppen. Die vermögende Elite grenzte sich modisch über die ‚Haute Couture‘ ab und trug in Deutschland nur die neuesten Kreationen der ‚Hohen Schneiderkunst‘.
Silberne Jacke von Versace, rotes Abendkleid mit Stickerei und roter Samtmantel von Paul Parnes (von rechts nach links)
Synthetische Textilien
Aufkommende Krisen und Kriege sorgten für die Verbreitung der billigeren synthetischen Stoffe, die v.a. auch das gewachsene Modebedürfnis der Arbeiterschicht bedienten. In den 1920er Jahren sind die Kunstseidenen Mädchen „schön in Berlin und gepflegt mit Schulden“.
Konfektionskleidung
Den Markt der breiteren Masse erschlossen sich schließlich auch namhafte Designerinnen und Designer, indem sie mit der Prêt-à-Porter-Mode Konfektionskleidung entwarfen, welche die noch immer relativ vermögenden Kundinnen von der Stange kaufen konnten. Ab den 1960er Jahren entwarfen schließlich auch Haute Couture-Häuser Konfektionsmode und setzten neue Trends, die schnell in die breite Masse der Bevölkerung durchsickern – die Mode wurde demokratisch. Heute entwerfen Haute-Couture-Designer:innen Modelinien für Fast-Fashion-Marken wie H&M (z.B. Karl Lagerfeld, Donatella Versace).
Fast Fashion
Doch das Bedürfnis nach dem neuesten kurzlebigen Trend lässt nicht nur den Umsatz der großen Modekonzerne steigen, sondern auch die Kleidermüllberge in der chilenischen Atacama-Wüste. Und aus diesem Müll-Albtraum müssen wir schnellstens einen Ausweg finden, denn was nützt uns das neueste Trend-Shirt, wenn wir keine Luft zum Atmen, kein Wasser zu trinken und keinen Platz zum Leben mehr haben.
Termine
16.03.2023 bis 03.09.2023 ab 11:00 bis 18:00 Uhr
dienstags mittwochs donnerstags
16.03.2023 bis 03.09.2023 ab 11:00 bis 16:00 Uhr
sonntags