Göksu Kunak setzt sich in Don’t Let Them Shoot the Kite mit Themen wie Vertreibung, Sichtbarkeit und gesellschaftlicher Zugehörigkeit im Kontext von Migration auseinander. Der Titel verweist auf den gleichnamigen Film von Tunç Başaran (1989) sowie die Novelle von Feride Çiçekoğlu (1986), die vom im Frauengefängnis lebenden Jungen Barış erzählt. Für Kunak fungiert die Geschichte als vielschichtige Metapher für migrantische Lebensrealitäten, Selbstbestimmung und Widerstand gegen soziale und politische Begrenzungen. Kunaks interdisziplinäre, forschungsbasierte, performative Praxis verbindet Kunst, Geschichte und Sozialpolitik.
Erfahrungen migrantischer Lebensgeschichten
Zentrales Element der Ausstellung ist die Installation im Café Tender Buttons. Diese thematisiert die Migration aus der Türkei nach Deutschland sowie deren Auswirkungen auf aktuelle gesellschaftspolitische Fragen. Zwei im 3D-Druckverfahren produzierte Skulpturen sind in freier Hängung vor einer großflächigen Wand mit Videoprojektion und Zeichnungen der Künstler:in installiert. Die Installation bezieht sich auf Fotografien aus dem DOMiD-Archiv, die Gesten von Arbeiter:innen in der Türkei in den 1960er Jahren dokumentieren.
Die Arbeiter:innen wurden in den Jahren 1961–1972 in Istanbul von deutschen Ärzt:innen entwürdigenden Untersuchungen unterzogen, die entscheidend für ihre „Arbeitstauglichkeit” und damit Chance auf ein neues Leben in Deutschland sein würden. Die Gesten referenzieren die emotionalen und körperlichen Erfahrungen der Arbeiter:innen. Ein weißer, bestickter Vorhang, wie er häufig in der Türkei zum Wohndekor gehört, verhüllt Teile der Außenfassade der Kestner Gesellschaft. Er verweist auf das Spannungsverhältnis zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, zwischen Erinnerung und Verdrängung - Erfahrungen migrantischer Lebensgeschichten. Der Vorhang wird zur Metapher für soziale Abgrenzung und das Gefühl der Entfremdung, zentrale Themen auch im Film von Başaran.
Über die Künstlerin Göksu Kunak
Göksu Kunak ( geb. 1985 in Ankara) ist Künstler:in, Forscher:in und Autor:in mit Wohnsitz in Berlin. In Kunaks Arbeit stehen Chronopolitiken und hybride Textformen im Zentrum, die performative Ausdrucksweisen zeitgenössischer Lebensweisen sowie nicht-westliche und unkonventionelle Dramaturgien erforschen. Beeinflusst von der Arabesk-Subkultur und spätmodernen Gesellschaften entwickelt Kunak spekulative Szenarien aus realen Begegnungen, die die Problematiken heteropatriarchaler Strukturen sichtbar machen. Weitere Themen, mit denen sich Kunak auseinandersetzt, sind Orientalismus, Selbst-Orientalisierung, Selbstzensur und Science-Fiction. Zuletzt entstanden partiturbasierte Performances und Installationen, die sich mit dem Simulacrum und dem Muskel als Objekt – dem Körper als Skulptur – beschäftigen. 2025 wurde Kunak mit dem Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste ausgezeichnet, der im Auftrag des Berliner Senats vergeben wird. Zuvor war Kunak für den Dieter-Ruckhaberle-Preis nominiert.