Erfolg für Physikerteam

Licht präzise kontrollieren

Erfolg für Physikerteam der Leibniz Universität Hannover: Die Wissenschaftler vom Exzellenzcluster PhoenixD haben einen Mechanismus entdeckt, der eine präzise Kontrolle der Wechselwirkungen zwischen ultrakurzen Lichtimpulsen ermöglicht. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten eine wichtige Basis für die Weiterentwicklung des Internets der Zukunft – also des sogenannten Quanteninternets – sein.

Mobile Kommunikation, Live-Streaming von Filmen aus dem Internet und Satellitennavigation wären ohne Licht unvorstellbar. Denn es ist Licht, das die höchsten Datenübertragungsraten über lange Distanzen ermöglicht. Zudem zählt Licht zu den präzisesten und effizientesten Werkzeugen, die der Menschheit zur Verfügung stehen. Das Physikerteam des Exzellenzclusters PhoenixD erwartet daher, dass die einzigartigen Eigenschaften des Lichts künftig für zahlreiche neue Funktionalitäten genutzt werden können.

Licht präzise kontrollieren

Damit das gelingt, muss Licht präzise kontrolliert und manipuliert werden, und das möglichst auf kleinsten Skalen. Das ist laut Leibniz-Uni nicht einfach und wird nur erreicht, wenn die nötigen Bedingungen dafür vorliegen: kurze Impulse, hohe Intensitäten und geeignete Materialien – wie zum Beispiel optische Glasfasern, durch die das Licht hindurch gelenkt und in Netzwerken verteilt werden kann.

Optische Solitonen im Zentrum der Forschung

Aus diesem Grund hat die PhoenixD-Forschungsgruppe zusammen mit Partnern der ITMO Universität in St. Petersburg und der Universität Rostock die optischen Solitonen ins Zentrum ihrer Forschung gestellt. Das sind spezielle Licht-Wellenpakete, die sich im Wesentlichen ohne Änderung ihrer Form und Eigenschaften durch Lichtwellenleiter (Glasfaser) fortbewegen. Dieses Prinzip hatte der Ingenieur John Scott Russell bereits 1834 in einem ganz anderen Medium entdeckt – nämlich in Wasser. Russel beobachtete in einem schottischen Kanal Wasserwellen, die sich scheinbar ohne Verluste kilometerweit ausbreiteten.

Solitonen zeigen besonderes Verhalten

Die Wissenschaftler konnten laut Leibniz-Uni nun zum ersten Mal zeigen, dass solche Solitonen mit Licht unterschiedlicher Farbe unter Kollision ein besonderes Verhalten zeigen – dieses könne dazu genutzt werden, sie miteinander zu verschmelzen. Dadurch entstehe eine neue Art von gebundenen Zuständen, sogenannte Lichtmoleküle. Diese Moleküle wiederum, so zeigen die Forscher, sind sehr robust gegenüber Störungen und können unter gewissen Bedingungen auch selbst wieder Licht abstrahlen. Damit erfüllen sie besondere Bedingungen zur Realisierung von optischen Funktionen wie etwa optischen Schaltern oder Übertragungsnetzwerken für Informationen.

Neu entdeckter Mechanismus – vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

“Die Übertragung einfacher quantenmechanischer Konzepte erlaubt uns, die hier gefundenen komplexen Phänomene der rein klassischen, nichtlinearen Optik effizient zu beschreiben und zu interpretieren”, sagt Prof. Dr. Ayhan Demircan vom Institut für Quantenoptik der Leibniz-Uni. Demircan leitet die Forschungsgruppe, die die Entdeckung gemacht hat. Die Lichtmoleküle werden im Gegensatz zu den allgegenwärtigen Materie-Molekülen, die aus einzelnen Atomen aufgebaut sind, durch einzelne Solitonen zusammengesetzt. Dabei werden künstliche Licht-Zustände erzeugt, die es in der Natur nicht gibt. Durch die Kontrolle über diesen neu entdeckten Mechanismus ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten: Beispielsweise ist zu erwarten, dass damit eine bessere Kommunikation mit vielfach höherer Datenübertragungsrate umgesetzt werden kann. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten auch eine wichtige Basis für das Internet der Zukunft – das Quanteninternet, den Quantencomputer oder neue abhörsichere Verschlüsselungsverfahren sein. Zudem bietet sich die Möglichkeit, die gefundenen Effekte, die bisher nur auf großen Distanzen denkbar waren, auf integrierten, optischen Mikrochips zu realisieren.  

Veröffentlichung im Fachjournal “Physical Review Letters”

Mit der im Fachjournal “Physical Review Letters” veröffentlichten Arbeit wurden zunächst die theoretischen Grundlagen für die neuartigen Lichtmoleküle geschaffen. Dadurch ist es möglich, die relevanten Prozesse effizient zu beschreiben und besser zu verstehen. Die Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer nichtlinearen klassischen Feldtheorie, die sie speziell dafür ausgearbeitet haben. Der gefundene Mechanismus war  laut Leibniz-Uni bislang gänzlich unbekannt. “Unsere Entdeckung eröffnet ein neues reichhaltiges Feld in einem etablierten Forschungsgebiet und es sind zahlreiche Folgearbeiten zu erwarten, die sich mit den vielen noch offenen Fragestellungen befassen”, sagt Dr. Oliver Melchert, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Quantenoptik der Leibniz Universität Hannover.

Rasante Entwicklungen in der Optik

Aufgrund der technischen Herausforderungen wäre es bislang nicht möglich gewesen, den nun entdeckten Mechanismus experimentell im Labor zu realisieren. Erst durch die rasanten Entwicklungen in der Optik der vergangenen Jahre stehen jetzt geeignete Laserquellen, Materialien und auch Prozesse zur Verfügung, um solche Wechselwirkungen zwischen Lichtimpulsen zu generieren und für konkrete Anwendungen einzusetzen. Im nächsten Schritt sollen die Ergebnisse der theoretischen Studie im Labor experimentell umgesetzt und die dazu notwendige Messtechnik entwickelt werden. Weitere spannende Erkenntnisse seien dabei zu erwarten, sagt Melchert. “Unsere Arbeit ist ein ideales Beispiel für rein durch wissenschaftliche Neugier getriebene Forschung, die zunächst zu neuen Erkenntnissen im Grundlagenbereich führt, aus der sich jedoch sehr oft neuartige Anwendungen mit enormen Potenzial ergeben”, sagt Prof. Dr. Bernhard Roth vom HOT – Hannoversches Zentrum für Optische Technologien, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Exzellenzcluster PhoenixD

Das Exzellenzcluster PhoenixD der Leibniz Universität Hannover wird in den Jahren 2019 bis 2025 mit rund 52 Millionen Euro vom Bund und Land Niedersachsen über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Kooperationseinrichtungen des Clusters sind die Technische Universität Braunschweig, das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und das Laser Zentrum Hannover e.V. Mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachdisziplinen Physik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie, Informatik und Mathematik forschen dort fachübergreifend. Im Rahmen des Clusters loten Wissenschaftler die Möglichkeiten aus, die sich durch die Digitalisierung für neuartige optische Systeme sowie ihre Fertigung und Anwendung ergeben.

Videoportal unter wissen.hannover.de

Wie können junge Leute am besten für den Hochschul- und Wissenschaftsstandort begeistert werden? Von den Menschen, die hier bereits studieren, lehren und forschen. Mit diesem Motto ging die Initiative Wissenschaft Hannover unter wissen.hannover.de online. In einem Film wird auch das Exzellenzcluster PhoenixD vorgestellt.

(Veröffentlicht am 26. Februar 2020)