Frei zu sein, nur ihrer Kunst verpflichtet arbeiten und leben zu können, das war das Leitbild vieler Musiker:innen nicht nur im 19. Jahrhundert. Es galt auch für den Geiger, Dirigenten und Komponisten Joseph Joachim oder die schwedische Sopranistin Jenny Lind. De facto jedoch arbeitete Joseph Joachim dreizehn Jahre zwischen 1853 und 1866 als Konzertmeister und Kammervirtuose der königlichen Hofkapelle am hannoverschen Hof im Dienste von König Georg V. in einem ständischen Abhängigkeitsverhältnis. Und so konnte der König ihn im Sommer 1854 nach Norderney befehlen, um seinen Ehrengast Jenny Lind mit seiner Geige zu begleiten. Fünf Jahre später reiste Joseph Joachim sogar – diesmal in Abhängigkeit von einem Konzertagenten – mit der Sopranistin durch England, Schottland und Irland „immer fiedelnd, Saiten aufziehend, weiße Krawatten einbindend, und was dergleichen Concerte und Reiseplackereien mehr sind“. Hof oder Markt, das war damals nicht nur eine Frage der Höhe von Honoraren und Gehältern, sondern hatte erhebliche Auswirkungen auf das künstlerische Selbstverständnis und das Repertoire der Musiker:innen. Die Musikwissenschaftlerin und Musikpublizistin Beatrix Borchard hat unter dem Titel „Stimme und Geige – Amalie und Joseph Joachim“ (Wien 2005) das Standardwerk zur Interpretationsgeschichte und Künstlersozialgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland geschrieben.
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