"Die Natur erschien uns
in dem Sumpf der Überzivilisation
als das schlechthin Übervollkommene,
Reine und Schöne."
Gustav Adolf Küppers, 1924
In den dicht bevölkerten Großstädten des ausgehenden 19. Jahrhunderts formierte sich die Lebensreformbewegung. Die Natur war den Anhängern dieser Bewegung das idealisierte Gegenbild zu der als Degeneration und Verfall empfundenen Stadt. Ein wesentlicher Bestandteil der Bewegung war die „Nacktkultur“, die später als „Freikörperkultur“ bezeichnet wurde.
Nacktheit war in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nicht mit den vorherrschenden Moralvorstellungen und Kleiderordnungen vereinbar. Schon ein unbekleidetes Körperteil wurde mit Nacktheit gleichgesetzt. Beschränkte Nacktheit war nur in der Freikörperkultur und Lebensreform möglich. Lange Zeit war sie auch hier nach Geschlechtern getrennt. Erst in den 1920er Jahren gewöhnte sich die Gesellschaft an nackte Körper. Aber in vielen Situationen war Nacktheit oder partielle Nacktheit immer noch ein Skandal.
Vom späten 19. Jahrhundert bis weit in die Zeit nach 1945 wurde die Freikörperkultur mit Gerichtsprozessen überzogen. FKK-Verlage wurden wegen „Verbreitung pornografischer Schriften“ angeklagt. Den nackten FKK-Mitgliedern wurde „grober Unfug“ und „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ vorgeworfen. In der Regel gewann die FKK die teilweise lang andauernden Prozesse. Die FKK-Schriften enthielten kein pornografisches Material. Die FKK-Mitglieder hielten sich nur auf ihren Vereinsanlagen in nicht einsehbaren Geländen auf. Freikörperkultur war damit nicht „öffentlich“.
Im Zentrum der tatsächlichen Praxis der Freikörperkultur stand „Wochenend und Sonnenschein“: Freizeit, Erholung, Gemeinschaft, Sport, Urlaub und Tourismus. Bildungsangebote kamen ergänzend hinzu: Theater, Tanz, Vorträge, Filme und Kunst. Damit war die FKK eine Vorreiterin für moderne attraktive und internationale Freizeitgestaltung.
Die Ausstellung zeichnet die Motivation und die Erscheinungsformen der FKK-Bewegung anhand zahlreicher Abbildungen, Filme und Dokumente nach. Sie stellt dar, wer sich in der FKK-Bewegung engagierte, wie Nacktheit begründet und legitimiert wurde und anhand welcher Medien die Nacktkultur öffentliche Resonanz fand.
Das Buch zur Ausstellung "Freikörperkultur in Hannover" ist beim Niedersächsischen Institut für Sportgeschichte https://nish.de/publikationen/neuerscheinungen/ oder im Buchhandel ISBN 978-3-932423-46-8 zu erwerben.