Im September 2023 verstarb in England im Alter von 93 Jahren Michael Brown. Als 9-jähriger konnte er am 22. August 1939 durch einen jüdischen Kindertransport von Hannover nach England vor der nationalsozialistischen Verfolgung gerettet werden.
Michael Brown wurde 1930 als Franz Schlesinger in Breslau geboren und lebte mit seinen Eltern Martin und Betty Schlesinger und seiner Schwester Hannah zunächst in Schlesingen. Michaels Vater war Jurist und wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft zwangspensioniert. Die Familie zog 1938 nach Hannover und wohnte dort in der Villa Simon, Brühlstr. 27 (früher 7), am Königsworther Platz.
Die Familie bemühte sich um eine Emigration, die aufgrund der schlechten finanziellen Lage nicht möglich war. Durch gute Kontakte zu jüdischen Organisationen in Berlin erfuhr Martin Schlesinger jedoch von den Kindertransporten. Von 1938 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 nahm Großbritannien rund 10.000 jüdische oder wegen ihrer jüdischen Herkunft im nationalsozialistischen Deutschland bedrohte Kinder im Rahmen der Kindertransporte auf. Die geretteten Kinder wurden in Sammelunterkünften oder in Pflegefamilien untergebracht. Martin Schlesinger konnte für seine beiden Kinder die Teilnahme an einem Kindertransport organisieren und ihnen so das Leben retten: Am 22. August 1939 reisten die 9 und 6 Jahre alten Geschwister nach England. Ihre Eltern sahen sie nie wieder: Betty und Martin Schlesinger wurden am 15. Dezember 1941 von Hannover in das Ghetto Riga deportiert. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Michael und Hannah änderten ihren Nachnamen, indem sie den Geburtsnamen ihrer Mutter anglisierten. Beide studierten in England studiert und gründeten Familien.
Michael Brown hat Hannover immer wieder besucht, z.B. 2015 zur Eröffnung der Ausstellung „Fremde Heimat. Rettende Kindertransporte aus Hannover“ und 2017 zur Präsentation seiner Erinnerungen „Es war eine recht unruhige Reise“ Von Franz Michael Schlesinger zu Michael Brown (Schriftenreihe der Gedenkstätte Ahlem, Bd. 5).
„Ich betrachte meine Identität als etwas sehr Persönliches. Ich glaube nicht an Nationalismus, sondern sehe alle Bewohner dieser Erde als Mitmenschen, die aufgrund des Zufalls ihrer Geburt in einer bestimmten Region der Welt leben oder in eine bestimmte Religion hineingeboren wurden oder nicht.“
(Michael Brown)
Michael Brown wird uns als interessierter, redegewandter, aufgeschlossener und humorvoller Mensch sehr herzlich in Erinnerung bleiben. Wir wünschen seiner Familie alles Gute!