80 Jahre nach der Befreiung: Angehörige von ehemaligen KZ-Häftlingen und eines US-Befreiers zu Gast in Hannover

Am 10. April 2025, dem 80. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Ahlem und Limmer, empfing die Landeshauptstadt Hannover insgesamt 13 Gäste aus Israel, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland – Angehörige ehemaliger Häftlinge und eines Befreiers, die auf Einladung der Stadt und der zivilgesellschaftlichen Arbeitskreise „Bürger gestalten ein Mahnmal“ und „Ein Mahnmal für das Frauen-KZ in Limmer“ an den Gedenkveranstaltungen des historischen Tages teilnahmen. Oberbürgermeister Belit Onay begrüßte die Gäste im Neuen Rathaus persönlich und würdigte in seiner Ansprache sowohl das individuelle Leid als auch die Bedeutung des generationsübergreifenden Erinnerns.

Angehörige ehemaliger KZ-Häftlinge am ehemaligen Frauen-KZ in Limmer

Überlebende und ihre Familien: Geschichten des Gedenkens

Besonders weit gereist waren Ofer Midginski mit seinem Sohn Ido sowie Meir Rotenberg mit seiner Ehefrau Nina aus Israel. Ihre Väter, Moshe Miedzinski und Nachum Rotenburg, hatten das KZ Ahlem überlebt. Beide waren zuvor aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in das Ghetto Lodz und in das KZ Ausschwitz deportiert worden. Nach dem Krieg emigrierten sie nach Israel und besuchten vor ihrem Tod mehrfach Hannover, um entlang ihrer Erlebnisse vor einer Wiederholung der Geschichte zu mahnen.

Aus den Niederlanden waren Gerie Voerknecht und ihr Ehemann Gerlo anwesend. Gerie Voerknechts Onkel Gerhard Nijland, ein niederländischer Widerstandskämpfer, verstarb kurz nach der Befreiung an den Folgen der Haft. Sein Name wurde im Zuge der letztjährigen Gedenkveranstaltung auf einer dritten Namensstele am Mahnmal des KZ Ahlem enthüllt.

Aus Hamburg kam Gabriela Fenyes, Tochter von Dr. Victor Fenyes, einem jüdischen Journalisten und Juristen aus Budapest. Nach dem Krieg engagierte er sich als Vorsitzender des „KZ-Ausschusses“ in Hannover für ehemalige Häftlinge und initiierte erste Gedenkveranstaltungen.  

Eine starke familiäre Verbindung zum Frauen-KZ Limmer besteht zu den französischen Gästen Isabelle Chalut und Julien und Camille Lepoutre. Geneviève Lepoutre geb. Bizot, die Großmutter der Geschwister, war aufgrund ihres Widerstands gegen den Nationalsozialismus in Frankreich verhaftet worden. Auch Isabelle Chaluts Mutter, Dr. Annette Chalut geb. Weill, war als Widerstandskämpferin im KZ inhaftiert worden und berichtete nach dem Krieg als Zeitzeugin auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Ebenfalls aus Frankreich angereist war Jennifer Orth-Veillon mit ihrer Familie. Ihr Großvater, Dr. William J. Hagood, war als junger Arzt mit der 84. Division der US-Armee, den sogenannten „Railsplitters“, am 10. April 1945 an der Befreiung des KZ-Außenlagers Hannover-Ahlem beteiligt.

Angehörige ehemaliger hannoverscher Konzentrationslager mit Oberbürgermeister Onay

Gedenken und Begegnung vor Ort

Im Rahmen ihres Besuchs nahmen die Gäste an einer Führung durch den Lernort ZeitZentrum Zivilcourage teil, wo unter anderem die Biographien von Dr. Annette Chalut geb. Weill und Dr. Victor Fenyes Teil der Dauerausstellung sind. Am Nachmittag folgte der gemeinsame Besuch der Gedenkveranstaltungen in Ahlem und Limmer. Diese wurden von den Arbeitskreisen in Kooperation mit der städtischen Erinnerungskultur, dem ZeitZentrum Zivilcourage, veranstaltet.

Auf dem ehemaligen Gelände des KZ Ahlem gedachten zahlreiche Gäste der Häftlinge, die schwerste körperliche Arbeit im naheliegenden Asphaltstollen hatten leisten müssten. Es sprachen unter anderem der US-Generalkonsul für Norddeutschland Jason Chue, Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens und der Oberbürgermeister Belit Onay mahnende Worte gegen das Vergessen. Eine Schulklasse der Heisterbergschule sorgte mit der Lesung von Zeugenaussagen eines ehemaligen Häftlings für einen emotionalen Einblick in den Alltag im KZ Ahlem. Die Kranzniederlegung auf dem ehemaligen Appellplatz bildete einen würdigen Abschluss.

Gedenken am Tag der Befreiung der Konzentrationslager in Hannover am ehemaligen KZ-Ahlem

Auch der Platz vor der Gedenktafel für das KZ Limmer füllte sich während der Gedenkveranstaltung mit vielen Interessierten. Dort lasen Mitglieder des Arbeitskreises Auszüge aus dem Bericht über die Zeit kurz vor und nach der Befreiung der ehemaligen Gefangenen Simonne Rohner. Der DGB-Chor sorgte für eine eindrucksvolle musikalische Untermalung. Neben einem Grußwort des Oberbürgermeisters sprach auch Julien Lepoutre stellvertretend für die Angehörigen. Zukünftig soll auch hier das ehemalige Gelände des Frauen-KZ, indem die Häftlinge für die Continental arbeiten mussten, sichtbar gemacht werden.

Erinnerung als gemeinsamer Auftrag

Der Austausch mit Angehörigen, das Teilen von Familienschicksalen und die persönliche Vernetzung machten deutlich: Erinnern ist kein rein historischer Akt, sondern ein lebendiger, gesellschaftlicher Auftrag. Die Begegnungen waren ein eindrucksvolles Zeichen dafür, wie Erinnern Brücken baut – über Generationen, Ländergrenzen und Lebensgeschichten hinweg.