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Zehn neue Stolpersteine in Hannover verlegt – Gedenken an jüdische Opfer des Nationalsozialismus

Am 27. März 2025 wurden zehn Stolpersteine an sechs Adressen in den Stadtbezirken Südstadt-Bult, Mitte und Vahrenwald-List verlegt. Damit erinnern nun insgesamt 490 Stolpersteine im Stadtgebiet an Menschen an ihrem letzten freiwillig gewählten Wohnort, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Die Verlegung erfolgte erstmals in Hannover nicht mit dem Künstler Gunter Demnig persönlich, sondern durch Mitarbeitende und Auszubildende des städtischen Fachbereichs für Garten- und Landschaftsbau. Bei allen Stationen waren zahlreiche Angehörige, Spender*innen und Interessierte anwesend. Einzelne Angehörige aus dem Ausland, die nicht anreisen konnte, erhielten im Nachgang Bilder der Verlegungen.

Mitarbeitende des Grünflächenamts setzen Stolpersteine ein

Unterschiedliche Lebenswege und doch ähnliche Schicksale der Verfolgten

In der Hildesheimer Straße wurde den jüdischen Schwestern Edith Heinrich, geb. Freymuth und Jenny Graefe, geb. Freymuth gedacht. Beide wurden 1942 deportiert - Jenny Graefe nach Warschau, wo sich ihre Spur verliert. Wenige Monate später wurde Edith Heinrich nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die Zeit im Ghetto und kehrte nach Hannover zurück. Ihre Enkelinnen Petra Ludwig-Schütz und Birgit Ludwig-Gerdes nahmen an der Verlegung teil. Beiträge von Schüler*innen sowie ein Bläserensemble der St.-Ursula-Schule begleiteten die Verlegung musikalisch und inhaltlich.

Schüler*innen der St.Ursula-Schule und Angehörige der Familie Freymuth bei Stolpersteinverlegung

In der Osterstraße erinnern nun Stolpersteine an Ida Salfeld und ihre Tochter Adelheid, die 1942 ebenfalls nach Warschau deportiert wurden und seitdem als verschollen gelten. Der jüdischen Familie war teilweise die Auswanderung gelungen, Mutter und Tochter scheiterten. Sie wurden im Zuge der sogenannten „Aktion Lauterbacher“ gezwungen, in eines von insgesamt 16 „Judenhäusern“, d.h. Sammelunterkünfte für jüdische Personen vor der Deportation, umzuziehen. Maßgeblich verantwortlich für diese städtische Anordnung war der namensgebende Oberpräsident der Provinz Hannover und NSDAP-Gauleiter Hartmann Lauterbacher.

An ein ähnliches Schicksal gedenkt der Stolperstein für Karoline Stadler, geb. Ascher in der Bütersworthstraße. Ohne Hinterbliebenen sind nur Daten der bürokratischen Aufzeichnung ihrer Verfolgung bekannt. So galt sie laut den Gesetzen der Nationalsozialisten trotz ihrer Konvention zum katholischen Glauben weiterhin als Jüdin und wurde im Rahmen der „Aktion Lauterbacher“ 1941 in das Ghetto Riga deportiert. Ab diesem Zeitpunkt gilt sie als verschollen. Trotz keiner Angehörigen herrschte eine große Anteilnahme, da zahlreiche Hausbewohner*innen die Verlegung verfolgen.

Ebenso wenig ist von Adolf Moses bekannt, dessen Stolperstein nun in der Gretchenstraße liegt. Ihm gelang 1939 die Flucht nach Shanghai, jedoch rang er nach dem Krieg aus dem finanziellen Ruin heraus erfolglos um eine Entschädigung. Vor Ort sprach Bürgermeister Thomas Klapproth ein Grußwort und bedankte sich bei den Anwesenden.

Bürgermeister Klapproth hält Rede bei Stolpersteinverlegung

Im dritten Stadtbezirk des Tages in Vahrenwald-List sprach an beiden Verlegorten Bezirksbürgermeister Thorsten Baumert. In der Bülowstraße wurde dem Familienvater Max Bragenheim gedacht. Trotz Konvention zum evangelischen Glauben seiner Frau wurde er als Jude verfolgt. Im Jahr 1944 wurde er nach Theresienstadt deportiert und schließlich in Ausschwitz vermutlich ermordet. Bei der Verlegung waren vier seiner Enkel anwesend. Auch eine Schulklasse der Leibnizschule, die die Patenschaft für den Stolperstein mit einer Spende übernahm, verfolgten die Verlegung mit Fragen und einem Gespräch mit den Angehörigen über das Schicksal der Familie Bragenheim.

Angehörige der Familie Bragenheim

Zum Abschluss wurde in der Podbielskistraße für Max Bergmann und seine Kinder Elisabeth und Leopold drei Stolpersteine verlegt. Der jüdische Arzt hatte dort seine Praxis und lebte mit seiner Familie im selben Haus. Er durfte unter der Herrschaft der Nationalsozialisten zunächst nicht mehr praktizieren und wurde schließlich wie seine Kinder nach Auschwitz deportiert und ermordet. Dem an die Verlegung angeschlossenen Vortrag vom Historiker Dr. Peter Schulze über jüdische Mediziner und dem Stadtteil im Nationalsozialismus lauschten neben der Hausgemeinschaft, die die Spende tätigten, auch mehrere Projektgruppen von Schüler*innen der Käthe-Kollwitz-Schule. Die letzte Verlegung war damit ein erneutes und eindrückliches Zeichen für die Bedeutung des generationsübergreifenden Erinnerns an die individuellen Schicksale hinter den Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung.