Erinnerungsort
KZ Stöcken (Accumulatorenfabrik)

Ehemaliger Lagereingang auf dem Rundweg über das Gelände des ehemaligen KZ Stöcken, 2025
Geschichte des KZ Stöcken
Das Außenlager des KZ Neuengamme in Hannover-Stöcken entstand im Juli 1943. Wenige Monate zuvor hatten sich die SS und die Leitung der Accumulatorenfabrik (AFA) in Stöcken auf einen Einsatz von KZ-Häftlingen geeinigt. Für die Rüstungswirtschaft spielte die AFA eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Produktion von U-Boot-Batterien.
Ein Häftlingsvorauskommando errichtete erste Baracken und ab Herbst erreichten weitere Transporte aus Neuengamme das KZ Stöcken. Die Häftlingszahl stieg auf etwa 1.500 Männer, überwiegend aus Polen, der Sowjetunion und Frankreich sowie kleinere Gruppen aus Dänemark und Italien. Für jeden Häftling überwies die AFA eine Tagespauschale zwischen 4 und 6 Reichsmark an die SS. Nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge wurden mit dem Stammlager Neuengamme ausgetauscht.
Das KZ Stöcken und die rund 100 Mann starke Wachmannschaft (SS-Männern und Marinesoldaten) wurde ab Juli 1944 bis zur Räumung des Lagers 1945 von SS-Hauptsturmführer Kurt Klebeck (1906-2004) geleitet. Er führte gleichzeitig die Aufsicht über die sieben Konzentrationslager in Hannover.
Die innere Überwachung des Lagers und ihren Einfluss sicherte die SS über eine Hierarchie unter den Häftlingen. Die im Lagerjargon „Kapos“ genannten Häftlinge mussten im Auftrag der SS ihre Mitgefangenen im Lager und bei der Arbeit beaufsichtigen. Im KZ Stöcken waren die „Kapos“ mehrheitlich deutsche Häftlinge mit einer kriminellen Vergangenheit, die von ihren Mithäftlingen für ihre Gewaltausbrüche gefürchtet wurden.
In drei Stein- und zwei Holzbaracken waren jeweils etwa 300 Häftlinge in dreistöckigen Betten untergebracht, häufig mussten sich zwei Personen ein Bett teilen. Die mangelhafte Wasserversorgung machte Hygiene kaum möglich und führte häufig zu Durchfallerkrankungen. Willkürliche Gewalt durch die SS und die „Kapos“ bestimmte den Lageralltag der Häftlinge, der mit stundenlangen Zählappellen begann und endete.
Aufgeteilt in zwei 12 Stunden-Schichten mussten die Häftlinge in der nahen Accumulatorenfabrik Akkordarbeit leisten. Sie wurden vorwiegend in der Kunststoff-, der Bleiabteilung sowie der Gießerei eingesetzt. Ohne ausreichende Schutzkleidung waren sie giftigen Substanzen und gefährlichen Produktionsprozessen mit heißem Blei an den Öfen, Pressen oder den großen Gummiwalzen schutzlos ausgesetzt. Schwere Arbeitsunfälle, teilweise mit Todesfolge, und Bleivergiftungen gehörten zum Alltag.
Nachgewiesen sind mindestens zwei öffentliche Erhängungen von Häftlingen im KZ Stöcken und andere von der SS verübte Morde an Häftlingen. Bis 1945 wurden im KZ Stöcken offiziell 403 Tote registriert. Neue Schätzungen gehen von bis zu 1.800 Toten des KZ Stöcken aus.
Kriegsende
Ende März 1945 konnte das Schwedische Rote Kreuz im Austausch mit Häflingen aus Neuengamme im Rahmen der "Aktion Bernadotte" 73 dänische Häftlinge des KZ Stöcken nach Neuengamme und von dort ab dem 9. April 1945 nach Schweden und Dänemark evakuieren.
Als Anfang April 1945 US-Truppen auf Hannover vorrückten, erhielten die hannoverschen Konzentrationslager Anfang April 1945 den Befehl zur Räumung der Lager. Am 7. April verließ die SS mit rund 1.200 Häftlingen das KZ Stöcken. Häftlinge, die nicht Schritt halten konnten, wurden erschossen und am Weg verscharrt. Einigen Häftlingen gelang die Flucht. Am 8. April erreichten die Überlebenden des sogenannten „Todesmarsches“ das völlig überfüllte KZ Bergen-Belsen. Viele von ihnen starben unter denkatastrophalen Bedingungen bis zur Befreiung Bergen-Belsens am 15. April und auch noch danach.
Etwa 120 Häftlinge des KZ Stöcken wurden in Bergen-Belsen selektiert und über Neuengamme auf „KZ-Schiffe“ in der Lübecker Bucht gebracht. Am 3. Mai 1945 ertrank eine unbekannte Zahl von ihnen bei einem irrtümlichen Angriff der britischen Luftwaffe.
Massaker in Gardelegen
Die Evakuierung der 568 nicht mehr gehfähigen Häftlinge des KZ Stöcken erfolgte am 8. April 1945 mit einem Güterzug. Nach einer längeren Irrfahrt aufgrund der sich nähernden Front erreichte der Transport am 9. April 1945 den Bahnhof Mieste, einen Ort in der Nähe von Gardelegen. Gemeinsam mit zuvor eingetroffenen Häftlingen des KZ Mittelbau-Dora wurden sie zu Fuß über mehrere Ortschaften zu einer Feldscheune nach Isenschnibbe gerteiben. In der Scheune wurden die KZ-Häftlinge von der SS und anderen lokalen Einheiten am 13. April 1945 eingesperrt und das Gebäude in Flammen gesetzt. Nur wenige Häftlinge überlebten das Massaker und konnten fliehen. US-Soldaten fanden später 1.016 verbrannte, erschossene oder erschlagene Menschen.
Gelände nach 1945
Nach dem Einmarsch der Alliierten am 10. April 1945 wurden die Baracken des KZ Stöcken zunächst geplündert und bis Mitte der 1950er Jahre als Notunterkünfte für Vertriebene und Flüchtlinge genutzt. Die Baracken wurden 1957/58 abgerissen. Das durch Industrieschlacke schwer verseuchte Gelände blieb sich selbst überlassen und verwilderte mit starkem Pflanzenbewuchs.
Das in den 1930er Jahren von der Accumulatorenfabrik AG erworbene Gelände wurde 1989 von der Stadt Hannover erworben, um einen Wissenschaftspark zu errichten. Das Gelände war durch Produktionsrückstände teils erheblich durch Schwermetalle belastet.
Erinnerungskultur und Arbeitsgemeinschaft "KZ Stöcken"
In vielen Ländern organisierten sich Überlebende in Vereinigungen und Freundeskreisen. Die dänischen Häftlinge des KZ Stöcken beispielsweise trafen sich erstmals 1946 als "Hannover-Stöcken-Gruppe“ und legten außerdem ein „Wanderbuch“ an, in das jeder von ihnen seine Erinnerungen und Gedanken eintrug. Angehörige der Gruppe und ihre Nachfahren reisten später mehrfach nach Hannover. Als Interessenvertretung der ehemaligen Häftlinge des KZ Neuengamme und seiner Außenlager gründete sich 1958 zudem
die „Amicale Internationale KZ Neuengamme“.
In der Nachkriegszeit organisierte ein Ausschuss ehemaliger KZ-Häftlinge in Hannover erste Gedenkaktionen. Eine 1947 am ehemaligen KZ Stöcken aufgestellte hölzerne Gedenktafel blieb jedoch nur kurz erhalten. Das KZ Stöcken und die die früheren KZ-Standorte in Hannover gerieten in Vergessenheit. Erst im Mai 1978 weihte die Stadtverwaltung in Stöcken eine bronzene Gedenktafel ein. 1983 sorgte eine Ausstellung über die hannoverschen Konzentrationslager für stärkeres öffentliches Bewusstsein.

Mahnmal KZ Stöcken
Im Freizeitheim Stöcken gründete sich 1986 die „Arbeitsgemeinschaft KZ Stöcken“, um den Kontakt zu Überlebenden zu pflegen und ein würdiges Mahnmal für das KZ Stöcken zu schaffen. Die seit 1984 geplante Errichtung eines Mahnmals auf dem ehemaligen Lagergelände verweigerte der Grundstückseigentümer, die VARTA Batterie AG: „Wir bezweifeln […], ob sich spätere Generationen durch Mahnmale in der von Ihnen gewünschten Weise beeindrucken lassen.“ Aus diesem Grund entstand das vom Künstler Hans-Jürgen Breuste gestaltete Mahnmal abseits des früheren Lagergeländes an der Kreuzung Hollerithallee/Auf der Horst. Die Einweihung des Mahnmals für das KZ Stöcken erfolgte am 7. Mai 1987 im Beisein ehemaliger Häftlinge.
1989 entstand der Dokumentarfilm "Die Hölle hat viele Namen" über das KZ-Außenlager Stöcken in Hannover. Im Film berichten fünf ehemalige Häftlinge über ihre Erlebnisse im KZ Stöcken.
Rundweg über das Gelände des ehemaligen KZ Stöcken
Der frühere Lagerbereich mit den Barackenfundamenten ist seit 2011 ein eingetragenes Bodendenkmal und war aufgrund der Altlasten nicht öffentlich zugänglich. Im Rahmen der von 2009 bis 2012 laufenden Sanierungsarbeiten wurden 2011 zur Sicherung und Dokumentation historischer Spuren im nördlichen Bereich des ehemaligen KZ Stöcken archäologische Grabungen durchgeführt.

Eingang zum Rundweg über das Gelände des ehemaligen KZ Stöcken, 2025
Die Arbeitsgemeinschaft KZ Stöcken sowie das ZeitZentrum Zivilcourage, der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover und ein Landschaftsarchitekturbüro entwickelten ein Konzept zur Erschließung des historischen Lagergeländes, um die noch vorhandenen Überreste sichtbar zu machen und über die Geschichte des KZ Stöcken zu informieren. 2023 beschloss der Stadtbezirksrat Herrenhausen-Stöcken das Konzept und den Bau des Rundwegs.
Seit Frühjahr 2025 führt der Rundweg vorbei an den noch vorhandenen Überresten der Barackenfundamente. Stahlpfosten symbolisieren die früheren Standorte der Baracken und den Verlauf des Zauns. Informationsschilder am Rundweg berichten über die Geschichte des Lagers.