Die Israelitische Gartenbauschule Ahlem 1893–1945
Die Israelitische Gartenbauschule Ahlem (bis 1919 »Israelitische Erziehungsanstalt zu Ahlem bei Hannover«) wurde 1893 vom hannoverschen Bankier Moritz Simon gegründet und entwickelte sich zu einer international renommierten als Internat geführten Ausbildungsstätte. Sie vereinte Volksschule, der Lehrlings- und zeitweise Mädchenabteilung und bot Kindern und Jugendlichen praktische und theoretische Ausbildung im Gartenbau, Handwerk und Hauswirtschaft.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 und im Zuge eines Ansturms von Hilfesuchenden wurde die Schule zu einem wichtigen Ort der Vorbereitung auf eine Auswanderung. Mit Sonderkursen in Englisch, Neuhebräisch, Südamerika- und Palästinakunde blieb der Unterricht trotz wachsender Repression bis 1942 bestehen.
Zwischen 1941 und 1944 nutzte die Gestapo-Leitstelle Hannover das Gelände zeitweise als regionale Sammelstelle für Deportation; von hier aus wurden fast 2200 Jüdinnen und Juden in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt - nur 144 überlebten. Ab 1943 zogen zudem zwei Referate der hannoverschen Gestapo-Leitstelle in das Direktorenhaus ein. Diese nutzten das Haupthaus ab 1944 als Gefängnis für größtenteils hunderte Zwangsarbeiter*innen. Im März 1945 wurden mindestens 59 Häftlinge in der ehemaligen Laubhütte hingerichtet.
Das ehemalige „Judenhaus“ Ahlem
Das Schulhaus der Gartenbauschule Ahlem, am 28. November 1897 eingeweiht und das älteste erhaltene Gebäude der Anlage, diente bis 1942 als Volksschule und Wohnhaus des Obergärtners; zeitweise waren hier auch die Schlafräume der Schüler untergebracht. Die Volksschule Ahlem gehörte zu den wenigen jüdischen Schulen im Deutschen Reich, die bis zum endgültigen Schulverbot 1942 existierten.
Ab 1942 wurde das Gebäude von der Stadt Hannover als „Judenhaus“ genutzt. Über 140 meist ältere Jüdinnen und Juden mussten hier unter beengten Bedingungen leben, bevor sie deportiert wurden; insgesamt hatten mehr als 270 Personen ihre letzte Wohnadresse in der Gartenbauschule. In den letzten Kriegsjahren lebten im Schulhaus vor allem Familien mit sogenannten „Mischehe“, die dadurch bislang von den Transporten in die Konzentrationslager und Ghettos verschont geblieben waren. Am 25. Februar 1945 wurden acht jüdische Männer, die mit einer nichtjüdischen Frau verheiratet waren, nach Theresienstadt deportiert; sie kehrten alle zurück.
Die Nachkriegsgeschichte
Am 10. April 1945 befreiten alliierte Einheiten Ahlem; die Gestapo war zuvor geflohen und hatte Akten in der Laubhütte verbrannt. Kurzzeitig wohnten auf dem Gelände ausländische Überlebende der hannoverschen KZ-Außen- und Zwangsarbeitslager; später richtete das Rote Kreuz ein Flüchtlingslager ein. Anfang 1946 gründeten „Displaced Persons“ den landwirtschaftlichen Kibbuz „Zur Befreiung“, der bis 1948 bestand und das letzte Kapitel jüdischer Geschichte in Ahlem markierte.
1952 wurde das Gelände der Jewish Trust Corporation rückerstattet, die es 1955 der Landwirtschaftskammer Hannover verkaufte. Diese richtete dort Institute, Versuchsgärtnereien und eine Fachschule für Gartenbau ein – seit 1976 Teil der Justus-von-Liebig-Schule der Region Hannover.
Die Gedenkstätte Ahlem
In den 1980er-Jahren richteten auf persönlichem Engagement beruhende Initiativen im Keller des ehemaligen Direktorenhauses einen Gedenkort mit einer kleinen Ausstellung ein. Eröffnung war 1987. 2007 brachten die politischen Gremien der Region Hannover eine umfangreiche Neukonzeption des Gedenkortes auf den Weg. Im Juli 2014 nahm die neue Gedenkstätte Ahlem ihre Arbeit auf.