Ausgestaltung des Rathauses

Von Eggert zu Halmhuber

Der Kommunalpalast als Höhepunkt, aber auch Abschluss einer Ära, ein Bau an einer Zeitenwende: Zwischen dem Beschluss zum Bau und der Einweihung des Neuen Rathauses 1913 sollten fast 18 Jahre ins Land gehen.

Gustav Halmhuber

Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, welche Umbrüche jene Epoche kennzeichnete. Unter der Lackschicht des kaiserlichen Deutschland und im gesamten Europa machten sich neue politische und künstlerische Strömungen breit. Jugendstil und neue Sachlichkeit lösten den Historismus in Malerei, Plastik und Architektur ab. Am Rathaus wurde nach den Plänen von Hermann Eggert (1844 bis 1920) gebaut, als die Gegensätze zwischen dem Traditionalisten aus Berlin und dem sich wandelnden Zeitgeist immer unübersehbarer wurden.

Das Rathaus war außen schon weitgehend fertig gestellt, der Innenausbau weit fortgeschritten, als die Differenzen offen zu Tage traten. In der Rathaus-Baukommission, erfuhren die leser im Hannoverschen Courier im August 1909, habe sich die Auffassung durchgesetzt, der „Geist der neuen Zeit“ müsse nun auch beim Innenausbau des Hauses zum Ausdruck kommen. Tatsächlich hatte Stadtdirektor Heinrich Tramm den städtischen Kollegien am 10. August 1909, unterstützt von Stadtbaurat Carl Wolff, vorgeschlagen, den Vertrag mit Eggert aufzulösen.

Die Neo-Renaissance war „out“, wie man heute etwas flapsig sagen würde. Doch Eggert beharrte darauf, den Bau in einem Guss in dem Stil  zu vollenden, in dem er begonnen worden war. Die Gremien hatten allerdings schon in vorangegangenen Diskussionen um die Ausgestaltung der Festsäle drei externe Fachleute, die Architekten Emil Lorenz und Hermann Schaedtler sowie den Maler Professor Hermann Schaper herangezogen. Nun war der Bruch unvermeidlich. Nach einer Kette unerfreulicher und sogar juristischer Auseinandersetzungen endete der Streit um die Vertragsauflösung mit Eggert schließlich im November 1911 mit einem Vergleich vor dem Reichsgericht in Leipzig.

Der mit dem Maler Max Liebermann befreundete Tramm hatte unterdessen nach einem Nachfolger für Eggert gesucht. Sein Favorit war der Architekt des Reichstagsbaus in Berlin, Paul Wallot. Doch der sagte am 4. November 1909 ab: Er könne den „ehrenvollen Auftrag“ aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen. Wallot empfahl den Hannoveranern aber zugleich einen „außerordentlich talentvollen“ Mann: den Kunstprofessor Gustav Halmhuber (1862 bis 1936). Halmhuber sei bereits am Reichstagprojekt beteiligt gewesen und habe sich dabei hervorragend bewährt. Auch den Gesamtentwurf für die Berliner Siegesallee hatte er geliefert. Ein anerkannter Fachmann also.

Es traf sich gut, dass der gebürtige Stuttgarter seit einigen Monaten einen Lehrauftrag an der Technischen Universität Hannover ausübte. Im Mai 1910 wurde der Vertrag geschlossen. Da waren im Rathaus die Büros der Beamtenschaft schon zum großen Teil bezogen, der Saal für die Bürgervorsteher und die Zentralhalle ebenfalls weitgehend fertiggestellt.

Halmhuber war nicht der Mann für einen radikalen Bruch, kein junger Wilder, kein heißsporniger Verfechter des Jugendstils, der seine kurze Blütezeit ohnehin schon wieder überschritten hatte. So blieb eine gewisse einheitliche Gesamtwirkung des Prachtbaus auch unter der Regie des neuen Architekten gewahrt. Die augenfälligsten Veränderungen nahm Halmhuber in der Konzeption der Kuppelhalle vor: Er führte die zentrale Festtreppe direkt auf das Mittelportal des großen Festsaals auf der Südseite zu.

Eggert hatte die Treppe auf halber Höhe teilen wollen. Auch seine gestalterischen Vorgaben waren andere gewesen. Vor allem wollte er unter den beiden seitlichen Treppenflügeln lichte Durchgänge von der Halle zur offenen Loggia und damit zum Maschpark schaffen. Eine Wasser- und Grottenlandschaft schwebte ihm als Überleitung zur Masch vor. Wieder freigelegte Brunnennischen im heutigen Gartensaal zeugen davon. Verwirklicht wurde einzig der Merkurbrunnen unter der großen Treppe, wo er als Folge der Umplanung ein unbeachtetes Schattendasein führte. Man entschloss sich deshalb, ihn zu entfernen. Der Sockel ist an den Eilenriederand in Höhe Vier Grenzen umgezogen. Da steht er heute noch:  als  Beindorff-Brunnen mit wasserspeienden Pelikanen.

Bei der Gestaltung der Monumentaltreppe in der Zentralhalle ließ sich Halmhuber am konsequentesten von den dekorativen Ideen des Jugendstils leiten. Aber selbst hier blieb er einer gewissen Schwere verhaftet, die ihn auch in anderen Details der Rathaus-Architektur  als einen Mann am Übergang zum Neo-Klassizismus ausweisen. Zu ihm hat er sich in späteren Schriften eindeutig bekannt.

Auch die Festsäle auf der Südseite und die Zimmer von Stadtdirektor und Syndicus im Norden trugen seine Handschrift. Auf ihn geht auch die Gestaltung der Südterrasse zurück.  Mit dem Hodlersaal, dem gemeinsamen Sitzungssaal von Magistrat und Bürgervorsteherkollegium im ersten Obergeschoss des Ostflügels, ist Halmhuber dann aber noch eine der imposantesten Saalschöpfungen des deutschen Rathausbaus überhaupt gelungen (siehe dort). Die Verbindung aus gemäßigtem Jugendstil und gediegenem Neo-Klassizismus mit Ferdinand Hodlers Monumentalgemälde Einmütigkeit“ schlägt eine Brücke zu einer wiederum ganz anderen Zeit. Davon freilich ahnten 1913 Heinrich Tramm und seine Zeitgenossen noch nichts. 


Texte mit freundlicher Genehmigung von Michael Krische.