Jubliäen 2022

350 Jahre Opern-Erstaufführung im Ballhof

Der bis 1664 erbaute Ballhof war über die Jahrhunderte hinweg Theater- und Konzertsaal, Gaststätte, Sport- und Veranstaltungsort. Ursprünglich diente er auch dem damals in der feinen Gesellschaft beliebten Federballspiel – daher der Name. 1672 bis 1852 war er der größte Veranstaltungssaal Hannovers und "wahrscheinlich schon jetzt" [1672] "wird erstmalig, vermutlich im Ballhof, eine Oper aufgeführt."

Präziser wird die Stadtchronik hier leider nicht. In der Fachliteratur zum Thema wird diskutiert, dass es sich dabei um "Adelaide" von Antonio Sartorio handeln könnte: eine Partiturabschrift ist bis heute in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek erhalten. Allerdings wird auch das Jahr 1678 als mögliches Datum gehandelt.

Sicher ist jedoch die bewegte weitere Geschichte des Gebäudes. Das Staatstheater Hannover schreibt dazu:

"In den 1920er Jahren entwickelte er sich inmitten des umliegenden Arbeiterviertels zu einem beliebten Treffpunkt der homosexuellen Szene Hannovers. Ab 1936 fanden umfangreiche Renovierungsarbeiten statt. Der dicht eingebaute Ballhof wurde im Rahmen einer Altstadtsanierung freigestellt, wofür zahlreiche Fachwerkhäuser weichen mussten. Mit neu entstandenem Wohnraum und einem zentralen Aufmarschplatz, dem Ballhofplatz, wollten die Nationalsozialisten das eher linke Arbeiterviertel für sich gewinnen. 1939 wurde der umgebaute Ballhof als Heim der Hitlerjugend eröffnet. In dem anliegenden Spitta-Haus war zudem bis 1943 ein Heim für den Bund Deutscher Mädel untergebracht. Die bewegte Geschichte der Ballhof-Gebäude ist heute nur noch an wenigen Stellen sichtbar. Der Ende der 1930er Jahre am Fachwerkbalken des Spitta-Hauses angebrachte Spruch 'Wir Jungen haben die Aufgabe, neue Wege zu suchen und zu bahnen, und den Mut, sie zu gehen' wird auf den antisemitischen Schriftsteller Georg Stammler (1872-1948) zurückgeführt, der im Nationalsozialismus als Vordenker der völkischen Jugendbewegung gefeiert wurde. Der Spruch entspringt ganz dem euphorischen Geist der deutschen Jugendbewegung, welche um 1900 eingesetzt hatte. Sie wurde schließlich von der Hitlerjugend und ihren Unterorganisationen vollkommen vereinnahmt und im Sinne einer 'Volksgemeinschaft' auf die rassistischen und kriegerischen Ziele der Nationalsozialisten ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund erfahren der Spruch und die 'neuen Wege' der Jugend eine erschütternde Bedeutung. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die in Stein gemeißelte Sig-Rune auf einem Kapitell an der linken Ecke des Spitta-Hauses. Das gezackte 'S' war ein Emblem des 'Deutschen Jungvolks', einer Unterorganisation der Hitlerjugend. Hier ist die Sig-Rune mit einer Wolfsangel verziert. Beide Symbole gehören heute zur Liste verbotener Zeichen in der Bundesrepublik Deutschland."

Die Niedersächsische Staatstheater Hannover GmbH, welche die denkmalgeschützten Ballhof-Gebäude als Spielstätte nutzt, setzt mit einer Info-Tafel, der obiger Text entnommen ist, ein Zeichen gegen das Vergessen. Denn: "Nur im Bewusstsein der Schrecken der Vergangenheit können wir heute für eine bessere Gesellschaft eintreten. Ohne Geschichte keine Kunst."