Bei der Entscheidung für Fiona Tan reagierte die internationale Jury auf ihren differenzierten Einsatz der Fotografie in einem sehr umfassenden Sinn, unter Berücksichtigung des Phänomens Zeit und an der Schnittstelle zum Medium Film. Ausschlaggebend war zudem Tans souveräner installativer Umgang mit dem Medium. Der Preis würdigt damit auch die ästhetische Intelligenz des Displays von Fotografie, für deren Geschichte Fiona Tan seit zwei Jahrzehnten Beiträge von höchster Exzellenz leistet.
Die internationale Jury zur Vergabe des Preises an Fiona Tan begürundet die Wahl wie folgt: "In herausragender Weise hat die Künstlerin in den letzten knapp 20 Jahren die Fotografie in ihrer Geschichte, ihren Kontexten, Intentionen und Erscheinungsformen als ein Medium der visuellen Repräsentation analysiert. Dadurch ist es Fiona Tan gelungen, die Wechselwirkungen zwischen einem Medium und Identitätsformationen sichtbar zu machen ( ... ). Oder anders gesagt: Fiona Tan untersucht Bilder. Sie fragt nach den Kontexten ihrer Entstehung. Sie widmet sich ihrer Geschichte. Sie analysiert ihre Funktion und die in ihnen fassbaren Machtkonstellationen bei der Reprasentation von Menschen. Tan dechiffriert einen westlichen und oftmals kolonialen BIick der Fotografie und verdeutlicht damit die Einseitigkeit und Tendenz von Geschichtsbildern. So sind ihre Arbeiten immer auch ein Kommentar auf Fotografie als Ausdruck von kulturellen und gesellschaftlichen Formationen und einer politischen lkonografie." (Für die Jury – Dr. Martin Hochleitner)
Wie der Untertitel "Goraiko" (etwa: Ankunft des Lichts) andeutet, wird die Ausstellung sich in hohem Maße mit dem Thema des Lichts und der langsamen Bewegung beschäftigen. Diese beiden Themen verdichten sich in dem neuen Film-Foto-Projekt "Ascent" (2016), das erstmals in Deutschland zu sehen ist. Es besteht aus einer 77-minütigen Projektion sowie aus 151 Einzelfotos, die sich inhaltlich mit den zahllosen fotografischen Darstellungen des "Fuji", dem heiligen Berg Japans auseinandersetzen. Tan widmet sich in diesem Projekt jedoch nicht nur dieser japanischen Ikone, "Ascent" ist zugleich eine Studie über ihre visuelle Kultur und eine Hommage an die Geschichte der Fotografie und des Films. Die visuelle Ebene wird um eine fiktive Erzählung ergänzt und so die Differenz zwischen unbewegten und bewegten Bildern thematisiert. Damit eröffnet Tan einen Zwischenbereich von Fotografie und Film. Neben dieser wichtigen Arbeit werden in der Ausstellung weitere Filme und Fotos aus dem Werk von Fiona Tan zu sehen sein, in denen sie sich, neben medialen Reflexionen, auch mit Fragen von Migration, Gesellschaft und Geschichte beschäftigt.
Der SPECTRUM - Internationaler Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen wird seit 1994 vergeben und schließt einen Geldpreis in Höhe von 15.000 Euro, eine umfangreiche Ausstellung im Sprengel Museum Hannover und die Produktion einer Künstlerpublikation ein. Die Preisübergabe findet am 20. September 2019 um 19 Uhr im Sprengel Museum statt.