Barrierefreiheit

Blinden-Stadtmodell eingeweiht

Pünktlich zum Helen-Keller-Tag am 1. Juni hat der hannoversche Club der Lions der Landeshauptstadt Hannover ein Stadtmodell für Blinde geschenkt, das ab sofort auf dem Ernst-August-Platz steht. Bürgermeister Thomas Hermann nahm an der Übergabe vor Ort teil. 

Bildhauer Felix Brörken, Bürgermeister Thomas Hermann, Andrea Hammann (Beauftragte für Menschen mit Behinderung der Landeshauptstadt), Dr. Wolf-Rüdiger Reinicke (Lions, Vorsitzender des Fördervereins Blinden-Stadtmodell) und Frank Mehler (Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen e. V.) (v. l.)

Seit die taubblinde Helen Keller 1925 die Lions aufrief, "Ritter der Blinden" zu sein, gehört der Kampf gegen die vermeidbare Blindheit und die Unterstützung für Sehbehinderte sozusagen zur DNA der Lions, einer weltweit 1,4 Mitglieder umfassenden Service-Organisation. Pünktlich zum Helen-Keller-Tag am 1. Juni hat der hannoversche Ableger des Lions Club der Stadt ein 3-D-Modell aus Zinn-Bronze auf einem Granitsockel geschenkt. Damit soll das Stadtzentrum sinnbildlich nicht nur für Sehende, sondern auch für Blinde und Sehbehinderte durch Anfassen und Befühlen erlebbar werden. 

Feierliche Übergabe am Ernst-August-Platz

Der 80 cm hohe Granitsockel war wenige Tage vorher vor der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade installiert worden. Am Morgen des 1. Juni hatte der Künstler Felix Brörken aus Welver bei Soest das von ihm angefertigte Modell darauf montiert. An der Übergabe nahmen außerdem die Witwe und der Sohn des verstorbenen Initiators Dr. Madan Arora sowie verschiedene Unterstützer*innen teil. Für die Landeshauptstadt Hannover kamen Bürgermeister Thomas Hermann und Gitta Weymann, Bereichsleiterin im Fachbereich Kultur, mit der städtischen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen, Andrea Hammann, vor Ort. Die Stadt, insbesondere auch das Sozialdezernat, hatte sich für die Umsetzung des Projektes sehr eingesetzt. "Seit zwei Jahren – also von Anfang an, begleitete ich dieses wichtige Projekt in Vertretung des Oberbürgermeisters, daher ist es mir persönlich eine Ehre, heute bei der Einweihung dabei zu sein", sagte Bürgermeister Hermann im Rahmen der Veranstaltung.

Über das Modell 

Das in Goldbronze, im Wachsausschmelzverfahren hergestellte Modell bildet auf einer 1,60 Meter x 1,60 Meter großen Fläche das hannoversche Stadtzentrum wirklichkeitsgetreu im Maßstab 1 : 780 ab. Der in Portugal aus dunkelgrauem Granit gesägte, mit einem Graffitischutz versehene Natursteinsockel wurde weitgehend barrierefrei mit einem Unterschnitt gestaltet, damit Bürger*innen nahe an das Modell herantreten oder mit einem Rollstuhl heranfahren können. Er wiegt 3,12 Tonnen, das Modell noch einmal 260 kg. Auf einer Tafel wurden auch die Auftraggebenden und Sponsor*innen gewürdigt. Das fertige Blinden-Stadtmodell hat einen Wert von 70.000 €.

Fachbereich Kultur übernimmt Instandhaltung 

Nach der Schenkung übernimmt der Fachbereich Kultur der Stadt Hannover die Instandhaltung und Wartung des Blinden-Stadtmodells aus vorhandenen Haushaltsmitteln. Thomas Göbel-Groß, Stadtgestalter im städtischen Fachbereich Planen und Stadtentwicklung hat das Modell maßgeblich mitentwickelt. Der Standort wurde zentral am erweiterten Bahnhofsvorplatz und Beginn der Fußgängerzone so gewählt, dass sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen, insbesondere aber blinde und sehbehinderte Menschen und ankommende Gäste das Modell gleich wahrnehmen und sich rasch in der Innenstadt orientieren können. Der Ausschnitt der Geo-Information lässt einen schnellen Überblick aller Sehenswürdigkeiten und wichtigen Anlaufstellen zu, vom Hauptbahnhof bis zum Neuen Rathaus und vom Schauspielhaus bis zur Clemensbasilika. 30 Objektnamen sind in Lettern und in der Blindenschrift Braille lesbar.

OB Onay: "Beitrag zur inklusiven Stadt" 

Oberbürgermeister Belit Onay, der die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernommen hat, sagte aus diesem Anlass: "Ich bedanke mich herzlich im Namen der Landeshauptstadt Hannover für das Blinden-Stadtmodell, das eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen unterstützt. Für die Menschen eröffnet sich eine neue Perspektive, Hannover wahrzunehmen. Das Projekt ist ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur inklusiven Stadt."

Ein Beitrag von vielen 

Auftraggeber und Organisator ist der Förderverein Blinden-Stadtmodell, dem Mitglieder der Lions Clubs Hannover-Eilenriede und Wilhelm Busch angehören. Viele weitere Lions und Bürger*innen haben sich mit ihren Spenden beteiligt. Namhafte Förderer sind außer der Stadt vor allem die Bürgerstiftung Hannover, die Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung und die Dirk Rossmann GmbH. 

Vereinsvorsitzender Reinicke dankt allen Unterstützenden 

Als Vorsitzender des gemeinnützigen Fördervereins erläuterte Dr. Wolf-Rüdiger Reinicke: "Die Schenkung dieses 3-D Modells an die Stadt Hannover ist nicht nur eine sinnvolle Maßnahme zur integrativen Teilhabe von Menschen mit Behinderung, sondern steigert als touristische Attraktion am Eingang zur Innenstadt auch deren Qualität. Als mein Freund Madan Arora im letzten Jahr leider verstarb, habe ich nicht lange gezögert, sein Werk getreu unserem Lions-Motto 'We serve' weiterzuführen. Die Umsetzung mit den vielen Beteiligten im In- und Ausland bis zur pünktlichen Errichtung war noch harte Arbeit. Nun freuen wir uns mit allen Bürgern und den Förderern dieses einzigartigen Projekts, denen wir einen großen Dank sagen!"

Hannover-Modell kommt aus Westfalen 

Die Bildhauer-Werkstatt Broerken befindet sich in einem kleinen Renaissance-Wasserschloss bei Soest in Westfalen. Egbert Broerken begann vor über 20 Jahren mit der Fertigung bronzener Blinden-Stadtmodelle, heute gemeinsam mit seinem Sohn Felix. Er entwickelte die optimale Tastbarkeit der Modelle und mit der Bronzegießerei ein spezielles Verfahren für die filigranen Erläuterungen in Blindenschrift. Die Stadtmodelle erstehen im Wachsausschmelz-Verfahren, einer alten handwerklichen Kunst, die Detailtreue und Unverwüstlichkeit der bronzenen Reliefs garantiert. Über einhundert Stadtskulpturen im In- und Ausland sind inzwischen im Atelier der beiden Künstler entstanden, das hannoversche Modell ist eines der größten.