Um die Qualität des Fernwärmenetzes in Hannover zu verbessern, setzte enercity im Februar 2015 erstmals die Methode der Fernwärmeerkundungsflüge ein. Mittlerweile liegen die Ergebnisse vor und sind ausgewertet.
Durch die Thermografie des 315 Kilometer langen Fernwärmenetzes konnte anstelle von Einzelbefunden erstmals der Gesamtzustand des Netzes zu einem Zeitpunkt ermittelt werden. Die nächtlichen Flüge bieten nur bei Kälte und klarem Himmel aussagekräftige Daten. Der Hannover-Flug hatte im Februar beste Bedingungen - kein Wind, kaum Luftfeuchtigkeit. So konnte die Analyse in weniger als zwei Nächten erfolgen.
Gute Ergebnisse für Hannover
Insgesamt ergaben die Wärmebilder einen weitgehend guten Zustand des Netzes. Sämtliche Befunde wurden in drei Klassen eingeteilt:
In der Klasse 1 wurden lediglich acht Fälle diagnostiziert, die aufgrund großer Temperaturabweichungen auf Rohrschäden oder mögliche Isolationsschäden hinwies. Diese Stellen untersuchten die enercity-Fernwärmetechniker sofort, um Reparaturen einzuleiten. An den Orten Braunstraße und Andreaestraße/Schillerstraße, wo undichte Bauteile festgestellt wurden, starteten die Arbeiten bereits
In 111 Fällen der Klasse 2 sind Auffälligkeiten festgestellt worden, die parallel zum laufenden Betrieb mittelfristig untersucht und gegebenenfalls behandelt werden müssen;
Die Klasse 3 umfasst 456 kleinere Auffälligkeiten auf den Wärmebildern, bei denen es sich um Anfangsstadien möglicher Schäden handeln kann. Die Stellen werden im Rahmen turnusmäßiger Kontrollen des Fernwärmenetzes mit überprüft.
Fernwärme entsteht mittels effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bei der Stromerzeugung. Sie dient der umweltfreundlichen Heizung von Gebäuden und der Warmwasserbereitung. Ebenso ist der Aufbau und die Instandhaltung des Gesamtsystems auf die Minimierung von Netzverlusten (zum Beispiel durch beschädigte Dämmung oder Leckagen im Heizwassernetz) ausgerichtet.
Hannovers Wahrzeichen als Wärmebild
Neben den technischen Erkenntnissen zum Zustand der Fernwärme-Infrastruktur entstanden bei den Flug-Thermografien auch interessante Draufsichten altbekannter Gebäude, Anlagen und Wahrzeichen Hannovers wie: - Hannover 96-Stadion: hier ist die thermisch auffällige Rasenheizung deutlich. Ganz gewollt sorgt hier im Winter die Fernwärme für eisfreies Fußballspiel - Herrenhäuser Gärten: die Wärmeunterschiede machen die geometrischen Strukturen der barocken Bepflanzungen auch in der Nacht sichtbar - Wahrzeichen wie Neues Rathaus oder Telemax: die charakteristische Form ist erkennbar - Bekannte Orte zeigen thermische Strukturen: Bahnhofsvorplatz (mit dem Lichternetz) oder Platz der Weltausstellung (Boden-Schriftzug "EXPO2000") - Kühlturm: die Kraftwerkskühlung in Stöcken ist ein regelrechter Hotspot
Hintergrund: Fernwärme-Netzanalyse
Die Leckageortung ist wichtig, weil jährlich im Fernwärmenetz Hannovers circa 20.000 Kubikmeter speziell aufbereitetes Fernwärmewasser durch unerkannte Leckagen verloren gehen. Wasserverluste in dieser Größenordnung gelten in Fachkreisen zwar als üblich, müssen jedoch nicht sein. Die Nachspeisung dieser Wassermengen und die Suche nach Leckstellen im rund 300 Kilometer langen Fernwärmenetz sind sehr aufwändig zu bearbeiten und kosten Geld. Im Alltag gehen bei der Störungsannahme bzw. Netzleitstelle durch Kundenanrufe oder die elektronische Überwachung zentraler Leitungen (Meldeadern, Vakuumdetektion) akute Störungsmeldungen ein. Unerkannt verlaufende Leckagen können so aber nicht entdeckt werden. Daher sind systematische Ansätze wie Turnus-Begehungen von Schächten oder die temporären Aktionen mit auffälliger gelbgrüner Färbung des Fernwärmewassers notwendig. Bei letzterem greift das Prinzip "viele Augen sehen mehr". Die Fluganalytik ist ein relativ junges Verfahren und wurde vor 10 Jahren, mit sinkenden Kosten der Kameratechnik, interessant. Das "thermische Abscannen" des Stadtgebiets mit Infrarottechnik ist nur nachts und bei klarer, kalter Witterung möglich. Tagsüber würde Sonneneinstrahlung die Ergebnisse generell verfälschen und der zahlreiche Autoverkehr (mit viel Motor-Abwärme) würde in Thermografiebildern die Fernwärmeleitungen überdecken. Dieses Verfahren wird in größeren Abständen, etwa alle fünf bis zehn Jahre, wiederholt.
Hintergrund: Fernwärme
Das enercity-Fernwärmeausbauprogramm für Hannover ist ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung der Klima-Allianz 2020, der insgesamt zu einer CO2-Minderung von rund 65.000 Tonnen pro Jahr führen soll. In der ersten Phase bis zum Jahr 2015 sollen jährlich 15 MW neue Wärmeleistung ans Netz genommen werden. Im Jahr 2012 wurden überplanmäßig mehr als 16 MW neu angeschlossen, darunter mehrere wohnungswirtschaftliche Projekte. Weitere 15 MW Neukundenanschlussleistung konnte enercity 2013 gewinnen, darunter die neue Feuerwache Weidendamm, die Internationale Schule am Schützenplatz sowie ein großer Wohn- und Gewerbeneubau am Herrenhäuser Markt. Im Jahr 2014 wurden 13 MW Neuanschlüsse akquiriert. Darunter befinden sich neben vielen Wohngebäuden das neue Justizzentrum, ein Studentenwohnheim, eine Kita, eine Grundschule und eine Autowaschstrasse. Parallel ging der Fernwärme-Ausbau im Stadtteil Sahlkamp weiter voran. Das seit 1962 bestehende Fernwärmenetz hat in Hannover inzwischen eine Länge von 315 Kilometern. Die Ausbaustrategie setzt vor allem auf Verdichtung der Anschlüsse entlang der bereits bestehenden Leitungsstränge. Der Neubau von Trassen macht wirtschaftlich immer erst bei großen Kunden Sinn. Ab 2016 wird mit einer Verlangsamung der Neuanschlussrate auf 13 MW jährlich gerechnet. Mit dem Jahr 2020 sollen insgesamt 930 MW Anschlussleistung und rund 30 Prozent Anteil am Wärmemarkt erreicht sein. Als wichtiger Baustein der Energiewende gelten die Energieeffizienz und die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Städte mit einem Fernwärmenetz wie Hannover können die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme im großen Stil nutzen. In konventionellen Kraftwerken auf der grünen Wiese lassen sich im besten Fall nur rund 50 Prozent der eingesetzten Energie zur Stromerzeugung nutzen und die entstehende Wärme geht verloren. In den innerstädtischen Heizkraftwerken von enercity sind in Winter-Spitzenzeiten durch die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme Wirkungsgrade bis zu 89 Prozent möglich.
Daten und Fakten zur Fernwärme
- Länge Fern-/Nahwärmeleitungen in Hannover: 315 Kilometer (einschließlich Nahwärme-Inseln // entspricht etwa der Entfernung Hannover - Köln) - 80 Prozent unterirdisch, 19 Prozent in Kellern und 1 Prozent oberirdisch verlaufend - Anschlussleistung aller Wärmeabnehmer: 895 MW (davon über 12 MW Nahwärme) - Fernwärmezähler im Netz: 3856 (darunter viele in Mehrfamilienhäusern von Wohnungsgesellschaften) - Wärmeabgabe (inkl. Anteil Nahwärme): rund 1.500 GWh jährlich (davon rund 2 % Nahwärme-Inseln) - Erzeugung: drei einspeisende Heizkraftwerke; ein einspeisender Industriekunde - Pumpe mit maximaler Förderleistung (Gemeinschaftskraftwerk Hannover-Stöcken): 2.600 Kubikmeter/Stunde - Umwälz- und Druckerhöhungspumpen im Netz der enercity Netzgesellschaft mbH: 46 (14 Druckerhöhungsstationen) - Maximale Vorlauftemperatur (Winter) 120 Grad Celsius (Rücklauf: 60 Grad Celsius) - Minimale Vorlauftemperatur (Sommer) 90 Grad Celsius - Fließdauer GKH Stöcken - MHH Roderbruch (Winter, circa) 4,5 Stunden - Wassermenge im Fernwärme-Netz 40.000 Kubikmeter
Der Große Garten in Herrenhausen.
Ein Kühlturm des Kraftwerks in Stöcken.
Alles im Rahmen: Der Hauptbahnhof Hannover.
Das Cessna-Flugzeug flog im Februar zwei Nächte lang über Hannover und erstellte die Aufnahmen.
Der Platz der Weltausstellung mit dem markanten Boden-Schriftzug "EXPO2000".
Der Maschsee ist wärmer als man denkt.
Das Neue Rathaus im Wärmecheck.
Das Wärmebild zeigt die Schillerstraße/Andreaestraße. Im eingekreisten Bereich sieht man die Schäden.