15 Jahre Adipositas-Zentrum: Das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus wurde am 26. Juli zum zweiten Mal als Kompetenzzentrum für Adipositas bis 2019 rezertifiziert. Mit dem Zertifikat der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Adipositastherapie und metabolische Chirurgie (CAADIP) werden Kliniken ausgezeichnet, die mindestens 50 Operationen pro Jahr nachweisen – vom Einsetzen eines Magenbands bis zur Verkleinerung des Magens durch Bauchchirurgen.
Im Clementinenhaus wurde gerade die 1000. Patientin, eine 40-jährige Frau aus der Region mit einem BMI von 57,2, erfolgreich operiert. Nach einer Magenverkleinerung (Schlauchmagen) nahm sie bereits nach zwei Wochen neun Kilo ab. Patient Nr. 999 (BMI 46,8) war übrigens ihr Ehemann, der einen Magen-Bypass (Umgehung) erhielt und ebenfalls schon deutlich an Gewicht verloren hat. Setzt man einen durchschnittlichen Gewichtsverlust pro Patient von 40 Kilo an, dann wären 40.000 Kilo Fett geschmolzen. Das sind 160.000 Butterstücke, einzeln aufeinandergestapelt ein Turm von 5,6 Kilometern.
Magenverkleinerungen stellen die meisten Eingriffe in Hannover
"Beide sind froh, dass sie diesen Schritt endlich gemacht haben", sagte Chirurgin Dr. Ricarda Flade-Kuthe, Leiterin des Adipositas-Zentrums. Am Anfang bei der Gründung des Adipositas-Zentrums wurden zunächst überwiegend Magenbänder eingesetzt, heute entfallen auf das Einsetzen von Magenbändern nur noch 15 Prozent aller Eingriffe, 35 Prozent sind Magen-Bypass- und 50 Prozent Schlauchmagen-Operationen (Sleeve).
Die Hürden werden immer höher
Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie psychologische Beratung unter ärztlicher Betreuung über eine Dauer von sechs Monaten sind die Voraussetzungen für eine Operation, aber auch das erste "Nadelöhr". Viele Patienten haben keine Chance, diese multimodale Therapie zu durchlaufen, weil sie flächendeckend nicht angeboten wird oder privat bezahlt werden muss. Schwer adipöse Patienten haben deshalb immer öfter Probleme, eine Kostenzusage durch die Krankenkassen zu erhalten. Dr. Andreas Kuthe, Chefarzt der Chirurgie, setzt sich deshalb, gemeinsam mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und chirurgischen Fachvereinigungen, für ein bundesweit einheitliches Genehmigungsverfahren ein.
Keine einheitlichen Kriterien
Die Anzahl der Eingriffe in Deutschland liegt deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 18 Operationen. Hierzulande werden im Schnitt zwölf Operationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt, in Belgien sind es zum Beispiel zehnmal so viele. Auch regional bestehen sehr große Unterschiede in der Bewertung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. So schwankt die Anzahl der durchgeführten Eingriffe pro 100.000 Einwohner statistisch zwischen drei (Saarland) und 47 (Berlin). Niedersachsen steht mit 24 Operationen auf Platz drei noch überaus gut da. Bei der Entwicklung der Fallzahlen in Deutschland zeichnet sich nach den letzten vorliegenden Statistiken von 2013 auf 2014 ein sehr gebremster Anstieg von nur noch 5,9 Prozent ab. Im Jahr zuvor (2012-2013) betrug die Steigerungsrate noch 23,8 Prozent.
Kosten durch Adipositas
Die Kosten der Adipositas allein im Gesundheitswesen betragen in Deutschland mehr als 20,2 Mrd. Euro jährlich und übersteigen die direkten Kosten von Alkohol (circa 10 Milliarden Euro pro Jahr) und Tabak (circa acht Milliarden Euro pro Jahr) deutlich. Zu diesem, Ergebnisse kommt eine Studie der Uni Hamburg von 2013, die auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie vorgestellt wurde. Die durchschnittlichen Gesundheitskosten liegen danach für Normalgewichtige bei 545,20 Euro pro Quartal. Adipöse mit einem BMI zwischen 30 und 35 weisen um 316,56 Euro höhere Kosten pro Quartal auf, ab einem BMI >40 entstehen sogar 449,92 Euro pro Quartal an Zusatzkosten. Auf eine durchschnittliche Lebensdauer hochgerechnet, müssen die Krankenkassen Zusatzkosten von 158.133 Euro (BMI 35-40) beziehungsweise 219.576 Euro (BMI >40) aufbringen.
OP-Verfahren bei Adipositas
Magenballon Der Magenballon ist eine auf sechs Monate zeitlich begrenzte Maßnahme zur Einschränkung der Nahrungszufuhr. Er wird auf dem Wege einer Magenspiegelung gelegt und mit gefärbter Kochsalzlösung befüllt. Das ermöglicht bei geeigneten Patienten eine kurzfristige Abnahme von bis zu 30 Kilogramm, die jedoch nicht besser gehalten wird als nach Diäten. Der Magenballon ist als eigenständige Maßnahme nur in absoluten Einzelfällen sinnvoll. Die Ärzte im Clementinenhaus nutzen ihn nur gelegentlich bei sehr schwer Übergewichtigen als Vorbereitung für eine geplante Operation, um das Risiko zu senken.
Magenbypass mit Y-ROUX Schlinge Auch diese Operation wird auf dem Wege der Bauchspiegelung in Vollnarkose durchgeführt. Es werden circa sieben kleine Schnitte für diesen Eingriff benötigt. Zunächst wird der Magen mit Klammernahtgeräten durchtrennt, so dass ein kleiner Restmagen (ähnlich dem Vormagen beim Magenband) entsteht, der ein Volumen von ca. 50 Milliliter hat. Der Dünndarm wird ungefähr 50 Zentimeter nach seinem Beginn durchtrennt. Der untere Teil wird mit dem Magen verbunden und transportiert die Nahrung aus dem Restmagen weiter. Der obere Teil wird nach ca. 150 Zentimeter wieder mit dem übrigen Dünndarm verbunden und leitet dort verspätet die Verdauungssäfte hinzu. So wird eine Mengenbegrenzung mit milder Fehlverdauung kombiniert.
Schlauchmagen (Sleeve) Die Operation wird auf dem Wege der Bauchspiegelung in Vollnarkose durchgeführt. Es werden fünf kleine Schnitte für diesen Eingriff benötigt. Mit einer großen Magensonde wird das Volumen des Restmagens bestimmt und der übrige Magen mit einem Klammernahtgerät abgetrennt. Etwa sieben Achtel des Magens werden vollständig entfernt. So stellt sich der Magen dann wie eine Verlängerung der Speiseröhre dar.
Verstellbares Magenband Das Magenband wird in Vollnarkose auf dem Weg der Bauchspiegelung (Schlüsselloch-Chirurgie) eingesetzt. Dafür werden fünf kleine Schnitte im Oberbauch benötigt. Das Band wird so um den oberen Anteil des Magens gelegt, dass ein kleiner Vormagen entsteht. Dieser Vormagen schließt direkt an die Speiseröhre an und hat einen Inhalt von circa 25 Milliliter. Unterhalb des Vormagens liegt der restliche Magen, der seine ursprüngliche Form behält. Durch das Band wird eine Verbindungsöffnung zwischen Vormagen und Restmagen gebildet, die einen Durchmesser von ein bis zwei Zentimetern hat und die durch Füllung des Bandes mit einer Kochsalzlösung variiert werden kann. Dazu wird ein Port auf der Muskulatur befestigt, der später von außen durch die Bauchhaut punktiert und befüllt wird. Eine solche Bandeinstellung erfolgt in der Regel erstmals vier Wochen nach der Operation. Das Magenband sollte für den Rest des Lebens belassen werden. Vorausgesetzt, der Patient kommt damit gut zurecht.