Der Deisterkreisel

Route 3: Von Völksen nach Bad Münder

"Kunst, König und Kiepe" - Zwischen Völksen und Bad Münder streift die 18,5 km lange Route den Kleinen Deister. Hier bieten das Wisentgehege und der Saupark die Chance, seltene Wildtiere in natürlicher Umgebung zu beobachten und zu erleben. Bevor es durch die Deisterpforte auf die Westseite des Deisters geht, lädt Springe mit seiner historischen Altstadt zu einer Entdeckungstour ein.

Jagdschloss Springe

VÖLKSEN – ALTER ORTSKERN
Völksen, eines der ältesten Dörfer in der Region Hannover, wurde urkundlich erstmals am 2. Juli 1033 als Ort im „Marstem Gau“ erwähnt. Wahrscheinlich ist der Ort einige Hundert Jahre älter. Die Bevölkerung lebte im Mittelalter überwiegend von der Landwirtschaft und dem Töpferhandwerk. Von 1800 bis in die 1950er Jahre bestimmte dann der Abbau von Deister-Sandstein, Kalkstein und Dolomitgestein das Dorfleben. An der noch vorhandenen Bausubstanz von Völksen lässt sich die Architekturgeschichte in der südlichen Region Hannover sehr gut vom Fachhallenhaus in Vierständerbauweise über Wandständerbauten mit Querschließung bis hin zu den Zuckerrübenburgen oder Ackerbürgerhäusern aus Ziegeln nachvollziehen. Diese Mischung, verbunden mit viel Grün, macht den besonderen Reiz von Völksen aus. Die St. Johanniskirche stammt aus dem 17. Jahrhundert. Am Westturm sind jedoch Spuren einer Vorgängerkirche aus dem 12. Jahrhundert zu entdecken. Das Kircheninnere wurde nach Plänen von Conrad Wilhelm Haase (1818- 1902) 1874 erneuert.

Eine gute Adresse für an zeitgenössische Kunst Interessierte ist der „Hermannshof“ in Völksen. Die Gebäude sowie die parkähnliche Gartenanlage ließ der Industrielle Hermann Rexhausen (1876-1923) von Bernhard Hoetger (1874-1949), Architekt, Bildhauer und Gartengestalter als Sommersitz errichten. Heute finden auf dem weitläufigen Anwesen regelmäßig Ausstellungen und andere Kulturveranstaltungen statt.

WISENTGEHEGE
Im Hallerbruch liegt östlich der K 213 das etwa 90 Hektar große Wisentgehege. Es wurde 1928 eingerichtet um den europäischen Wisent vor dem Aussterben zu bewahren. Durch komplizierte Rückzüchtung gelang es den Bestand zu stabilisieren. Mehrere hundert Wisentkälber erblickten seitdem im Wisentgehege das Licht der Welt. Auch die Erhaltungszucht des Przewalski-Urwildpferdes, das in freier Wildbahn nicht mehr vorkommt, wird hier planmäßig betrieben. In den letzten 50 Jahren hat sich das Wisentgehege zu einem Refugium für über hundert Tierarten entwickelt, die früher in Mitteleuropa lebten oder noch heute leben. Auf einer sechs Kilometer langen Rundwanderung können sie unter naturnahen Bedingungen beobachtet werden. Dazu gehören nicht nur Wisent, Bär und verschieden Hirscharten sondern auch Luchs, Wildkatze, Fischotter und Biber. In weitläufig angelegten Volieren leben Greifvögel, Eulen, Birk- und Auerhühner. Seit einigen Jahren ist auch ein Rudel Wölfe hier zu Hause.

Dem Wisentgehege ist ein Waldpädagogik-Zentrum, die Gehegeschule, angeschlossen. Sie ist eine umweltpädagogische Einrichtung der Niedersächsischen Forstverwaltung und bietet ein vielfältiges Bildungsangebot für Schulklassen und Kindergruppen an. In den Sommermonaten zeigt der Falkenhof zweimal täglich Flugvorführungen mit einheimischen Greifvögeln.

Außerhalb des Wisentgeheges bietet der Hallerbruch, ein ehemaliger mit alten Eichen und Buchen bestandener Hudewald, seltenen Tierarten, insbesondere Vögeln, wertvollen Lebensraum. Ein Waldlehrpfad erklärt die ökologischen und forstlichen Zusammenhänge.

ENERGIE- UND UMWELTZENTRUM SPRINGE-ELDAGSEN
Wer sich für innovative Umwelttechniken und erneuerbare Energien interessiert, sollte einen kleinen, aber lohnenswerten Umweg (ca. 2 km) über das Energie- und Umweltzentrum in Eldagsen machen. Es liegt direkt am Elmschebruch, das zum Landschaftsschutzgebiet „Osterwald – Saupark“ gehört. In einem ehemaligen Schullandheim, das Haupthaus stammt aus dem Jahr 1928, arbeitet das Energie- und Umweltzentrum seit seiner Gründung Jahr 1981 als Kompetenzzentrum an den Themen energieeffizientes und ressourcenschonendes Bauen, rationelle Energieerzeugung sowie erneuerbare Energie. Auf dem 18.000 Quadratmeter großen Gelände informiert eine Ausstellung anschaulich und praxisnah über die Themen Energieeinsparung, solare Strom- und Warmwassererzeugung, ökologisches Bauen, Regenwassernutzung und Pflanzenkläranlage. Ein Naturgarten lädt zu weiteren Entdeckungen ein.

NATURSCHUTZGEBIET „SAUPARK“
Vom Wisentgehege zum Jagdschloss Springe führt dieStrecke durch das Naturschutzgebiet „Saupark“, das 1954 entstand. Es hat eine Fläche von rund 2.445 Hektar und umfasst den Hallerbruch, den Kleinen Deister und den nördlichen Teil des Nesselbergs. Der Saupark wird durch seine verschiedenen naturnahen Buchenwälder, seine zahlreichen Quellbereiche und kleinen Fließgewässer sowie die natürlichen wie auch durch menschliche Abbautätigkeit entstandenen Felswände geprägt. Zusammen mit Höhlen, Hügelgräbern, Wölbäckern und Wildwiesen ist das Naturschutzgebiet „Saupark“ ein ganz besonderes Erlebnis.

An der Eldagser Straße (L 461) führt die Route an einem Holzlagerplatz vorbei, hinter dem ehemalige Wölbäcker, heute als Wiese genutzt, liegen. Wölbäcker bestehen aus parallelen, langgestreckten und in der Mitte erhöhten Ackerbeeten. Sie entstanden im Mittelalter durch das Zusammenpflügen der Erdschollen zur Beetmitte. Bei feuchten Böden blieben die Beete so vor allem zur Mitte hin vergleichsweise trocken, da die Furchen am Beetrand als Drainage dienten. In trockenen Jahren waren dagegen die Bereiche zum Beetrand noch ausreichend feucht. Durch diese Bearbeitungsform traten Missernten seltener auf.

MAUERPARK UND JAGDSCHLOSS
Die Jagd im Saupark war einst den Herrschenden vorbehalten. Dazu wurde das Wild gehegt und gepflegt. Als Folge nahm die Wilddichte sehr stark zu und richtete auf den Feldern der Landbevölkerung große Schäden an. Dagegen klagte schließlich 1778 Amtmann Wedemeyer und bekam nach gut 40 Jahren Prozessdauer letztendlich Recht. Seitdem mussten die Flurschäden vom hannoverschen Hofe finanziell ausgeglichen werden. Aufgrund der stetig steigender Schadensersatzforderungen ließ König Ernst August in den Jahren 1836 bis 1839, den Saupark teilweise mit einer Mauer einfrieden. Es entstand der sogenannte „Mauerpark“. Die rund 16 Kilometer lange und 2 Meter hohe Mauer aus regionalem Jura-Kalkstein umschließt ein 1.600 Hektar großes Gebiet und ist heute das längste Baudenkmal in Niedersachsen. Gleichzeitig stellt die Mauer mit ihren Hohlräumen einen wertvollen Lebensraum für gefährdeten Pflanzen- und Tierarten dar.

Parallel zum Mauerbau begannen bereits 1836 die ersten Planungen für das Jagdhaus. Diese sahen ein repräsentatives Gebäude-Ensemble mit einem beherrschenden Mittelbau und zwei flankierenden Seitengebäuden vor. Planung und Ausführung oblag Georg Ludwig Comperl (1787-1859). In Abstimmung mit Georg Friedrich Ludwig Laves (1788-1864), der vor allem für die Innenausstattung des Schlosses zuständig war, wurde es im klassizistischen Stil erbaut und 1842 fertiggestellt. Es entstand zunächst ein flach gedeckter zweigeschossiger Bau. Von den geplanten Seitengebäuden wurde zur Hannoverschen Zeit nur das östliche errichtet, hinter dem dann der Marstall entstand. Nach der Annexion des Königreiches Hannover durch Preußen im Jahr 1866 nahmen die einst eher familiären Jagden stark repräsentativen Charakter an, wodurch der Raumbedarf zur Unterbringung der Gäste zunahm. Daher wurde das Schloss in den nachfolgenden Jahrzehnten aufgestockt, zum Mauerpark hin durch den Kaisersaal erweitert und die westlichen Nebengebäude errichtet. Besonders beeindruckend ist der, von 1988 bis 1993 sorgsam restaurierte, mit prachtvollen Wand- und Deckenmalereien gestaltete Lavessaal. Im Erdgeschoss informiert heute das Museum für Natur – Jagd – Kultur über Lebensweise und den Lebensraum heimischer Wildtierarten.

Vom Jagdschloss Richtung Norden verläuft eine etwa 2,5 Kilometer lange Allee. Sie wurde zwischen 1858 und 1860 für die Anfahrt des hannoverschen Königs angelegt und mit rund 520 rotblühenden Rosskastanien bepflanzt. Erst später erhielt sie den Namen Kaiserallee. Die Allee verband das Schloss mit der Haltestelle „Kaiserrampe“ an der Bahnlinie Hannover – Altenbeken bzw. die Hamelner Chaussee (B 217). Die Kastanien wuchsen im Laufe eines Jahrhunderts zu einer prächtigen Allee heran. Heute sind nur noch einige dieser Baumveteranen zu sehen. Inzwischen wurden neue Kastanienbäume nachgepflanzt.

SPRINGE – HISTORISCHER ORTSKERN
Springe verdankt seine Entstehung der günstigen geographischen Lage. Der tiefe Sattel zwischen Deister und Kleinem Deister, die sogenannte Deisterpforte, bot sich als Verbindungsweg von Hameln nach Hannover an. Außerdem sorgten die Quellen der Haller und der zuströmenden Samke für das zur Siedlungsentwicklung notwendige Wasser.

Bereits um 1013 als „Hellereisprig“ urkundlich erwähnt, erhielt Springe im Jahr 1250 die Marktrechte und damit das Recht der Selbstverwaltung. Im Zuge der Hildesheimer Stiftsfehde wurde Springe 1519 durch Brand und Plünderung völlig zerstört. Ebenso hinterließen der Dreißigjährige und nachfolgende Kriege ihre Brandspuren. Entscheidende Impulse für den wirtschaftlichen Aufstieg waren letztlich der Bau der Bahnlinie Hannover – Hameln im Jahr 1872 und die Ernennung Springes zum Kreissitz 1884.

Heute präsentiert sich Springe als moderne Stadt der kurzen Wege mit einer Vielzahl von Fachgeschäften und Boutiquen. Von besonderer Bedeutung sind die zahlreichen Einrichtungen der Schul-, Aus- und Weiterbildung. Die Altstadt mit ihren schön restaurierten Fachwerkbauten und Straßencafés ist unbedingt einen Besuch wert. Immer wieder öffnen sich dem Besucher Durchblicke in kleine Gassen und Höfe.

Das älteste Bauwerk direkt in Springe ist die 1454 vollendete gotische Hallenkirche St. Andreas. Ihr tief hinabgezogenes Dach ist mit roten Sandsteinplatten aus dem Solling gedeckt. Der Turm steht auf einem älteren Grundgesims aus der Zeit um 1100. Er brannte 1347 ab und wurde erst 1560 wieder aufgebaut.

In der Straße „Zum Oberntor“ sind alle Haustypen zu finden, die während der letzten 300 Jahre das Stadtbild bestimmen. Überregional bekannt ist das Geburtshaus von Heinrich Göbel (1818-1893), dem die Erfindung der Glühbirne nachgesagt wird. Zu seinem Gedenken wurde vor dem Haus ein Bronzerelief aufgestellt. Nicht weit entfernt am Markt steht eines der wohl prachtvollsten Fachwerkbauten im Süden der Region Hannover, das „Peterssche Haus“. Dieses mit der Jahreszahl 1619 datierte Ackerbürgerhaus entspricht dem Stil der Fachwerkbauten des Weserraumes.

Der Marienbrunnen im Herzen der Altstadt dokumentiert ein Stück Lokalgeschichte. Auf dem schmiedeeisernen Jugendstil-Kunstwerk erinnert das „Kiepenmariechen“ an alte Zeiten. Es trägt eine mit Holz beladene Kiepe auf dem Rücken, das erlaubte Maß für die Holzbeute aus dem Deister, wenn man keinen „Leseschein“ hatte.

Das Museum auf dem Burghof befindet sich an einem historischen Ort. Hier hatten die Grafen von Hallermund 1250 eine Wasserburg angelegt. Im Jahr 1626 ging sie in Flammen auf. An ihrer Stelle entstanden im Laufe der Jahrhunderte neue Gebäude, von denen einige bis 1953 als Wirtschaftsgebäude der Domäne Springe genutzt wurden. Der ehemalige Kornspeicher, der Pferdestall und die Remise beherbergen heute auf etwa 2.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche das Museum. Es bietet interessante Einblicke in die Geschichte der südlichen Deisterregion.

BAD MÜNDER
Kurz hinter der Domäne Dahle führt der Deisterkreisel an der Bahnlinie entlang und durch die Felder nach Ramena. Hier kann man kurz von der Strecke abzweigen, um bei dem idyllisch gelegenen Waldschlösschen eine Rast einzulegen. Von dort führt eine schmale Straße durch den Golfplatz direkt in das Herz von Bad Münder, dem Ende dieser Route.

In Bad Münder lohnt sich ein Spaziergang durch die historische Altstadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern, Brunnen und kleinen Geschäften. Auch ein Besuch des nahe gelegenen Kur- und Landschaftsparks bietet sich an. Erst 1997 wurde der Kurpark um einen 7,5 Hektar großen Landschaftspark, gestaltet von dem Züricher Landschaftsarchitekten Dieter Kinast, erweitert. An dem Gradierwerk können müde Radler durchatmen und entspannen.