Vorschau

Sonja Anders stellt ihren letzten Spielplan in Hannover vor

19 Premieren, 19 Wieder­aufnahmen und zahlreiche Sonderveranstaltungen: Schauspiel-Intendantin Sonja Anders und ihre leitende Dramaturgin Nora Khuon stellten am 18. April das Programm für die Spielzeit 2024/25 vor. Es ist die sechste und letzte Spielzeit unter ihrer Leitung.

Sonja Anders und Nora Khuon vor dem Pressegespräch am 18.04.2024

„Unsere Welt scheint zu kippen: das Klima, ganze Demokratien, Gesellschaften, Ideen und die Hoffnung sind in Gefahr. Auf Profit und Macht bedachte Kräfte greifen mit Kalkül demokratische Strukturen an. Sie attackieren Vielfalt, Gleichheit und Freiheit – auch hier in Europa,“ so Sonja Anders in ihrem Vorwort zum Spielzeitheft. Auf Initiative des Schauspiel Hannover hatten sich in diesem Sinne zuletzt viele Kultureinrichtungen in Hannover unter dem Motto „Zusammen gegen den Hass – Gemeinsam für Demokratie“ zusammengeschlossen. „Das Theater behandelt seit jeher Macht und Gewalt. Deshalb findet sich auch unsere unruhige Gegenwart voll untergehender Systeme, aufkommender Ideen und unwahrscheinlicher Allianzen im Spielplan wieder,“ führt Sonja Anders weiter aus. Im Zentrum steht der Mensch als soziales Wesen sowie seine Hoffnung auf Gelingen und ein gerechtes Miteinander.

König Lear zur Eröffnung

Mit Shakespeares „König Lear“ eröffnet Regisseur Stefan Kimmig am 7. September die Saison im Schauspielhaus. Die Tragödie behandelt einen Konflikt um Herrschaft und Liebe zwischen den Generationen. Um Machtausübung und das staatliche Gewaltmonopol geht es in dem dokumentarischen Projekt „Hier spricht die Polizei“, welches in Koproduktion mit werkgruppe2 und den Ruhrfestspielen in Recklinghausen entsteht und am 13. September das Programm im Ballhof eröffnen wird. Zudem kehrt der Publikumsliebling „Biedermann und die Brandstifter“ am 6. September als Wiederaufnahme im Hoftheater zurück.

Macht, Zerstörung, Aufbruch

Elfriede Jelineks neues Stück „Asche“ handelt vom ausbeuterischen Verhältnis des Menschen zur Erde. Regisseurin Lilja Rupprecht wird sich in ihrer Inszenierung mit dieser scheinbaren Ausweglosigkeit beschäftigen (Premiere 17. Januar im Schauspielhaus). Jessica Weisskirchen bringt Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ auf die Bühne des Ballhof Zwei (24. Januar), der die existenziellen Fragen des Menschseins und den epischen Kampf zwischen Gut und Böse verhandelt. Um Systeme der Macht geht es in „Animal Farm“. Emre Akal adaptiert George Orwells berühmten Bestseller für die Gegenwart und beleuchtet die Grundpfeiler politischer Systeme (Premiere 7. Dezember im Ballhof Eins).

Systemumbruch

Mit „Und alle so still“ setzt Regisseurin Jorinde Dröse nach „Die Wut, die bleibt“ ihre Zusammenarbeit mit der Autorin Mareike Fallwickl fort, die in ihrem dystopisch-utopischen Roman den Beginn einer Revolte beschreibt, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie vermeintlich immer getan haben – sich kümmern (Uraufführung 16. Februar im Schauspielhaus). „Die Walküren“, die Töchter des Gottes Wotan, analysieren und beurteilen, was sich auf dieser Erde tummelt – und es tummelt sich viel. Marie Bues wird Caren Jeß’ humorvollen Angriff auf den deutschen Mythos inszenieren (Premiere 8. März im Schauspielhaus).

Prinzip Hoffnung

In „Archiv der Sehnsüchte“ porträtieren Regisseur Hakan Savaş Mican und der Hannoveraner Autor Deniz Utlu nicht nur das Lebensgefühl einer suchenden und zornigen Generation, sondern werfen einen Blick auf unterschiedliche Dekaden deutsch-türkischer Arbeitsmigration (Uraufführung am 18. Oktober im Schauspielhaus). Mit „Mama Odessa“ bringt Alice Buddeberg den neuesten Roman von Maxim Biller zur Uraufführung – eine vielschichtige jüdische Familiengeschichte des 20. Jahrhunderts voller Geheimnisse, Rivalität und Literatur, in deren Zentrum die Beziehung von Mutter und Sohn steht (Uraufführung 26. Oktober im Ballhof Eins). Regisseur Stefan Pucher kehrt zurück nach Hannover und nimmt sich Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ in einer Überschreibung von Ewald Palmetshofer an, in der die Unversöhnlichkeit unterschiedlicher ideologischer Positionen innerhalb familiärer Konstellationen Thema ist (Premiere 13. Dezember im Schauspielhaus).

Junge Stücke

Sechs Inszenierungen, darunter ein neues Klassenzimmerstück, richten sich besonders an junges Publikum. Auf der großen Bühne ist das Familienstück „Momo“ nach Michael Ende zu erleben, es erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbringt. Florian Fiedler inszenierter diese Feier des Augenblicks und der Empathie für Kinder ab 6 Jahren (Premiere 10. November im Schauspielhaus). „Das kunstseidene Mädchen“ zählt zu den Klassikern der Moderne – die Regisseurin Luise Voigt wird in ihrer ersten Inszenierung am Schauspiel Hannover das Glitzern der Großstadt für junges Publikum bildgewaltig auf die Bühne bringen (Premiere 21. September im Schauspielhaus).

Junge Regie

Junge Künstler und Künstlerinnen erhalten nächste Spielzeit Gelegenheit, ihren Blick auf die Welt zu inszenieren: Mit „Betonklotz 2000“ bringt Goldie Röll einen Text über das Hannoversche Ihme-Zentrum auf die Bühne, ein Gebäude, das mehr ist als das größte zusammenhängende Betonfundament Europas. „Unter Wasser“ erzählt über die Einsamkeit des Erwachsenwerdens, die Sehnsucht nach Geborgenheit und die Machtlosigkeit des Einzelnen im Internet (Regie: Alisa Guberman). Das Klassenzimmerstück „Die Vertretungsstunde (Über)Leben“ verhandelt in einer Schein-Vertretungsstunde Anpassungszwänge und die Unsichtbarmachung junger Menschen (Regie: Karim Gamil).

Universen

Die Universen gehen auch in der sechsten Spielzeit weiter und bieten über die gesamte Spielzeit ein vielfältiges Programm aus Performances, Lesungen, Workshops, Partys und Stadtrundgängen sowie eigene Formate wie die Literaturreihe Poetic Justice von Necati Öziri oder Magic Meyer’s Late Night Show von Verena Meyer.

Wir müssen reden

Auf der Bühne des Schauspielhauses heißt es das zweite Jahr in Folge: „Wir müssen reden“. Sascha Chaimowicz traf als Gastgeber an bisher sechs Sonntagen unterschiedliche Gäste aus Politik, Gesellschaft und Kultur zur Diskussion über die Fragen unserer Zeit. Auch in der kommenden Spielzeit begrüßt der Chefredakteur des ZEITmagazins prominente Gäste und redet mit ihnen nicht nur über Demokratie, sondern auch über den Umgang miteinander und vieles mehr. An fünf Sonntagen wird zunächst auf der Bühne diskutiert, bevor die Debatte im Foyer bei einer Suppe mit dem Publikum fortgesetzt wird.
 
Zum Beginn der Spielzeit öffnet das Schauspielhaus wieder seine Türen beim Hoffest, welches am 24. September gemeinsam mit dem Künstlerhaus im begangen wird – mit einem bunten Programm für die ganze Familie.