Zehn Geheimnisse aus Hannover

Fake: die Ritterburg in Hannovers Nordstadt

Wer auf dem Weg zu den Königlichen Gärten durch Hannovers Uni-Viertel schlendert, wird am Herrenhäuser Kirchweg unvermutet an einer Burg vorbeispazieren, sich erstaunt die Augen reiben und sich vermutlich fragen: Warum steht dort inmitten "normaler" Wohnhäuser plötzlich eine märchenhafte Ritterburg?

Unvermuteter Anblick in der Nordstadt

Nichts ist so wie es scheint

Es war kein Ritter, sondern der hannoversche Bankier Alexander Moritz Simon, der um 1860 am Herrenhäuser Kirchweg Ecke An der Strangriede einen privaten Stadtpark anlegen und darin eine detailgetreue Ritterburg errichten ließ. Den Park gibt es heute nicht mehr. Die Ritterburg im romantischen Stil der Neugotik, die nie eine war und nur so aussah, verfiel mit der Zeit zu einer Ruine. Hannovers einzige "Burg" (die sechs mittelalterlichen Burganlagen, die einst auf dem heutigen Stadtgebiet der niedersächsischen Landeshauptstadt standen, gibt es heute nicht mehr) witterte vor sich hin und wurde schließlich samt Turm und Festungsmauer Stein für Stein wieder aufgebaut und hübsch hergerichtet. Ab 1971 war die schmucke Burg das Zuhause des Gastronomenehepaars Renate und Heinrich Stern, die mit ihrem Feinschmecker-Restaurant "Georgenhof" 1984 mit dem begehrten Michelinstern ausgezeichnet wurden. 2004 ging Hannovers charismatischer Sternekoch Heinrich Stern im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand, danach stand das fotogene Gemäuer einige Jahre leer und wurde schließlich im Auftrag eines Universitätsprofessors komplett saniert und zu einem Wohnhaus ausgebaut.

Ein Bankier mit Visionen

"Alexander Moritz Simon wurde 1837 in Hannover geboren. Er lernte das Bankgeschäft, arbeitete eine Zeit in den USA, die ihn später zu ihrem Vizekonsul in Hannover ernannten. Er erwarb ein stattliches Vermögen. Ihm gehörten zum Beispiel das prächtige, spitzwinkelige Parkhaus an der Nienburger Straße/Ecke Appelstraße und nicht weit davon die noch stehende Burgruine an der Ecke Herrenhäuser Kirchweg/An der Strangriede – wo freilich nie Ritter hausten. Simon ließ die Ruine als Ruine in seinem damals riesigen Park errichten, unter anderem mit einem altdeutschen Trinkgemach darin, in dem er adelige und reiche Gäste bewirtete“, schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung in einem Online-Beitrag vom 5. August 2019 und erinnert dabei auch an eine andere Passion des jüdischen Bankiers: „Alexander Moritz Simons größtes Vermächtnis ist jedoch die Gründung der Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem. In dieses Projekt steckte der in späten Lebensjahren extrem sparsam lebende Simon all sein Geld. Die Schule wurde später Gestapo-Gefängnis, heute ist sie eine Gedenkstätte für die Judenverfolgung der Nazis.

Simons of Hannover

So fantasievoll und visionär, wie Bankier und Burgherr Alexander Moritz Simon vor 160 Jahren war, sind heute übrigens auch seine Namensvettern Katerina und Marc Simon. In Zusammenarbeit mit Roland Schulze von der Lister Destille am Mengendamm produzieren sie in Hannover unter dem Markennamen "Simons of Hannover" koschere Spirituosen wie Gin und Obstbrände, die den strengen Regeln für die Zubereitung und dem Genuss von Speisen und Getränken gläubiger Juden entspricht – geprüft und abgesegnet von Rabbiner Benjamin Wolff von der jüdischen Gemeinde Chabad Lubawitsch in Hannover. Wie der koschere Premium-Gin der Simons schmeckt, verrät Manuel Mauritz von Hannovers "LieblingsBar" in Herrenhausen: "Würzig, feinherb, klassisch, wacholderlastig, dabei aber nicht groß blumig."