Provenienzforschung der LHH

Zeugnisse der NS-Verfolgung bleiben in Hannover

Erb*innen und Stadt unterzeichnen Vereinbarung zur Restitution und Schenkung zweier Objekte aus dem Eigentum von Klara Berliner.

Unterzeichnung der Vereinbarung zur Restitution und Schenkung durch OB Belit Onay und Erb*'innen

Der Rokoko-Schrank und die Stramin-Platte aus den städtischen Museen für Kulturgeschichte, die die Nationalsozialisten einst der jüdischen Fabrikantentochter Klara Berliner (1897 bis 1943) entzogen haben, verbleiben bei der Stadt. Die gemeinsam erarbeitete Vereinbarung zur Restitution und Schenkung haben die rechtmäßigen Nachfolgeberechtigten und Oberbürgermeister Belit Onay am heutigen Freitag (13. Mai) unterzeichnet. Dafür sind eigens aus den USA Dr. Gabriele Berliner, Delegierte der Erb*innengemeinschaft Klara Berliners und Tochter des direkten Erben Dr. med. et. phil Bernhard Berliner (1885 bis 1976) sowie der Treuhänder Joe Fendel der Familien-Stiftung Manfred Berliner Trust samt Tochter Shoshana Fendel angereist. 

„Die wertvollen Objekte sind Zeugnisse der NS-Verfolgung Klara Berliners. Sie veranschaulichen symbolisch unterschiedliche Schritte ihrer Verfolgung und haben deshalb einen unermesslichen Wert für unsere Arbeit in der Aufklärung über die NS-Verbrechen in unserer Stadt“, betont Oberbürgermeister Belit Onay. 

Die Erb*innengemeinschaft und OB Belit Onay vor dem Rokoko-Schrank.

Weitere Schenkung ans Stadtarchiv Hannover

Zusätzlich dazu hat der Treuhänder Joe Fendel die gesamten deutschsprachigen Dokumente des Archivs des Manfred Berliner Trust an das Stadtarchiv Hannover übergeben.

„Die großzügige Schenkung des Manfred Berliner Trustes macht es nun möglich, unsere Aufklärungsarbeit über Generationen hinweg in der Zukunft fortzusetzen“, dankt Onay den angereisten Erb*innen, die die Landeshauptstadt Hannover nach umfangreichen und intensiven Recherchen ausfindig gemacht hatte. Für Joe Fendel ist es wichtig, dass „anhand der Objekte Menschen über die jüdische Geschichte zur Zeit des Nazi-Regimes in Hannover aufgeklärt werden können.“ Und Dr. Gabriele Berliner ergänzt: „Das Museum ist der beste Ort für den Schrank. Hier können ihn viele Menschen sehen.“

Zu Klara Berliner

Klara Berliner war die Tochter des Fabrikanten Joseph Berliner, geboren 1858, und seiner Frau Therese Wild (1864 bis 1934). Joseph Berliner war der Gründer der ersten Telefonfabrik in Europa und der ersten Schaltplatten- und Grammophon-Fabrik auf europäischen Boden, der Deutschen Grammphon GmbH in Hannover, und der Bruder des berühmten Erfinders Emil Berliner (1851 bis 1929).

Nach dem Tod ihres Vaters am 23. Mai 1938 wurde Klara Berliner seine Alleinerbin. Der NS-Staat enteignete sie ab Dezember 1938 Schritt für Schritt mit antisemitischen Zwangssteuern und -Zwangsabgabe, vertrieb sie aus ihrem Haus, beschlagnahmte all ihre Einrichtungsgegenstände und Besitztümer, zwang sie „in bitterster Armut“ in verschiedenen „Judenhäusern“ Hannovers zu leben und deportierte sie schließlich ins Ghetto Theresienstadt. Dort verstarb sie am 14. Dezember 1943.

Mehr zur Geschichte, wie der Rokoko-Schrank und die Stramin-Platte in städtischen Besitz kamen ebenso wie zur weiterführenden Literatur, gibt es hier.

Handarbeit(Stramin-Platte) aus dem EigentumKlaraBerliners

Ausstellung im MAK

Zum historischen Hintergrund des Erwerbs des Rokoko-Schrank und der Stramin-Platte präsentiert das Museum August Kestner in einer kleinen Ausstellung im Vortragssaal einen Brief des Kunsthändlers Emil Backhaus aus dem Jahre 1942 zum Rokoko-Schrank, einen handgeschriebenen Brief einer ehemaligen Haushälterin aus Klara Berliners Elternhaus zu ihrer Stramin-Platte, eine Grammophon-Schallplatte von Klara Berliners Cousin Hans Berliner aus der Fabrik ihres Vaters und ein Buchexemplar aus dem Stadtarchiv, das Klara Berliners Onkel Jacob seinem Hermann widmete.

Joe Fendel, der Manfred Berliner Trust und Dr. Gabriele Berliner

  • Joe Fendel ist der Hauptvertreter des Manfred Berliner Trust, der seinen Sitz an seinem Wohnort hat. Er hat im Auftrag der Erbengemeinschaft Klara Berliners die führende Rolle in der Aushandlung der „fairen und gerechten Lösung“ mit der Kulturverwaltung der Landeshauptstadt Hannover gespielt. Die Veranstaltung im Museum August Kestner findet am 140. Geburtstag seiner Urgroßmutter Ida Berliner statt, geboren am 13. Mai 1882 in Hannover. Ida Berliner ist die älteste Tochter von Manfred Berliners fünf Kindern. Manfred Berliner (1853 bis 1931) war der Gründer der ersten privaten Handelsschule in Hannover. Ida Berliner wurde durch einen Erbschein aus dem Jahre 1951 eine der vier direkten Erb*innen Klara Berliner.
  • Der Manfred Berliner Trust ist identisch mit den Erb*innengemeinschaften von Klara Berliner. Bei diesem Trust können alle Mitglieder der Familie Manfred Berliners finanzielle Hilfen in Notlagen, vor allem Stipendien für das Universitätsstudium beantragen. Regelmäßig organisiert Joe Fendel Familienfeiern.
  • Dr. Gabriele Berliner ist die Tochter von Bernhard Berliner (1885 bis 1976), einem Cousin und direkten Erben von Klara Berliner. Bernhard Berliner war ein weltberühmter Neurologe und Psychologe. 1910 hatte er in Berlin an der Klinik für Nervenkrankheiten den nach ihm benannten Reflexhammer erfunden. 1936 floh er gemeinsam mit seiner elf Monate alten Tochter Gabriele und seiner zweiten Ehefrau in die USA. Noch im selben Jahr gründete er die „Psychoanalytic Study Group of San Francisco. Später war er an der Gründung des San Francisco Psychoanalytic Institute and Society“ (SFPI&S) beteiligt. Dr. Gabriele Berliner, heute 87 Jahre alt, arbeitete ihr ganzes Berufsleben lang ebenfalls als Psychologin.