Medizinische Hochschule
Gesundheits-Apps: Chancen und Risiken
Eine Studie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) informiert erstmals umfassend über Gesundheits-Apps in Deutschland.
Ob zur Gewichtskontrolle, als Fitness- und Wellness-Anwendungen oder als hochkomplexes Programm zur Diagnostik und Behandlung bestimmter Erkrankungen: Die Zahl der Gesundheits-Apps nimmt rapide zu. Mehr als 100.000 von diesen kleinen Programmen für Smartphones und Tablets sind im Umlauf. "Viele dieser Apps sind auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet", sagt Dr. Urs-Vito Albrecht, stellvertretender Leiter des Peter L. Reichertz Instituts für Medizinische Informatik der technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover an der MHH. "Grundsätzlich ist die Evidenz zum Thema dünn, was eine objektive Einschätzung des Nutzens der Technologie immens erschwert."
Studie "Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps"
Gemeinsam mit 18 Wissenschaftlern hat Dr. Albrecht in der Studie "Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps (CHARISMHA)" die aktuellen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Gesundheits-Apps aufgearbeitet – aus den Blickwinkeln von Medizin, Informatik, Ethik, Recht, Ökonomie und Politik. In der Studie seien Handlungsoptionen für den sinnvollen Einsatz identifiziert und Maßnahmen vorgeschlagen worden, um dem Wildwuchs unter den Gesundheits-Apps Herr zu werden. Das positive Potenzial soll ausgeschöpft und Risiken der Anwendungen minimiert werden. Darüber hinaus analysiert die Arbeit gesetzliche Rahmenbedingungen und formuliert Vorschläge zur Förderung mHealth-basierter Anwendungen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat diese bundesweit erste Studie, die sich wissenschaftlich-systematisch mit den neuen Anwendungen beschäftigt, gefördert.
Klare Qualitäts- und Sicherheitsstandards gefordert
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe erklärt dazu: "Für viele sind Apps heute schon ein Ansporn, sich mehr zu bewegen, sich gesünder zu ernähren – und sie unterstützen zum Beispiel auch bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten. Das kann vielen Menschen eine wertvolle Hilfe sein. Doch bei mehr als 100.000 Gesundheits-Apps ist es für Bürger, aber auch für Ärzte nicht einfach zwischen guten und schlechten Angeboten zu unterscheiden. Nötig sind klare Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Patienten, medizinisches Personal und App-Hersteller. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass Produkte, die einen wirklichen Nutzen für Patienten bringen, schnell in die Versorgung gelangen. Die heute vorgelegte Studie ist eine wichtige Grundlage für den Fachdialog mit Experten und Verantwortlichen im Gesundheitswesen, in den wir nun eintreten wollen."
Erste große wissenschaftliche Bestandaufnahme
Smartphones und Apps sind zu selbstverständlichen Begleitern mit persönlichem Zugang zu allen Lebensbereichen geworden. Gesundheits-Apps haben das Potenzial, das Gesundheitswesen zu verändern. Der gerechtfertigte Einsatz der Technologie macht eine Nutzen- und Risikoabwägung notwendig, die eine medizinische, ethische, rechtliche, ökonomische und politische Diskussion bedingt. Die CHARISMHA-Studie bildet die Grundlage in Form einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zum Thema und bietet eine erste Analyse mit der Identifizierung von Handlungsfeldern sowie Handlungsoptionen. "Dabei müssen eine Vielzahl von Aspekten und Akteuren berücksichtigt werden", betont Dr. Albrecht, "besonders weil diese Apps größtenteils unkontrolliert und unreguliert veröffentlicht werden dürfen und viel in der eigenen Verantwortung steht." Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass der multidisziplinäre Austausch über Entwicklung, Nutzen, Qualität, Zugang zur Technologie, Evaluation, gesellschaftliche Aspekte, Vergütungsmöglichkeiten sowie Aufklärung über Chancen und Risiken der Schlüssel ist, "um notwendige Rahmenbedingungen zu bestimmen und umzusetzen, damit das positive Potenzial ausgeschöpft werden kann".
Umgang mit sensiblen Daten
Gesundheits-Apps werden in den nächsten Jahren sowohl für Patienten als auch professionelle Anwender weiter an Bedeutung zunehmen, was den Fragen nach dem Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten und dem Datenschutz eine ganz neue Dimension gibt. Nicht jeder Anwender kann Qualität und Vertrauenswürdigkeit einer App ohne Hilfestellung beurteilen. Die Autoren beschäftigen sich auch mit der Bedeutung und Verlässlichkeit unterschiedlicher Ansätze zur Beurteilung von Gesundheits-Apps. Nach ihrer Meinung sollte die Entwicklung sicherer und vertrauenswürdiger Anwendungen gefördert werden, wobei der Zugang durch nachhaltige Finanzierungskonzepte gewährleistet werden muss.
Studie steht kostenlos zum Download bereit
Die Publikation richtet sich daher nicht nur an Akteure aus Wissenschaft, Politik und Industrie, die in diesem technikgetriebenen Umfeld forschen und arbeiten, sondern auch an interessierte Bürger. Als Bestandsaufnahme soll sie Ausgangsbasis für weitere Forschungsfragen und Handlungsschritte zum Thema sein und Nutzern Hilfen zur eigenen Einschätzung mobiler Technologien und dem Umgang damit geben. Die 370 Seiten umfassende Studie steht kostenlos auf den Projektwebseiten unter http://www.charismha.de zur Verfügung.
Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik
Das Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik ist ein gemeinsames Institut der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover. Es besteht seit dem Jahr 2007 mit zwei Standorten in Hannover und Braunschweig. Die beiden Hochschulen stärken durch das Institut ihre Kompetenzen in den Bereichen assistierende Gesundheitstechnologien, eLearning, mhealth und Informationsmanagement sowie Lehre.
(Veröffentlicht: 225. April 2016)