Medizinische Hochschule

NTx 360°: Projekt für für nierentransplantierte Patienten

Dr. Ulrich von Hinüber, Mark Barjenbruch, Cornelia Rundt, Hans-Joachim Metzig, Prof. Dr. Reinhold E. Schmidt, Mathias Burmeister und Dr. Kirsten Hoeper (v.l.n.r.).

An der Medizinischen Hochschule Hannover startet ein neuartiges Nachsorgemodell für Erwachsene und Kinder, denen eine Niere transplantiert wurde. 

Jan Seeger, Professor Schiffer, Professor Pape, Patient Moses L. (sitzend auf dem Gerät), Professorin de Zwaan und Professor Tegtbur (v.l.n.r.)

Sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind für das neue Projekt "NTx 360°" für nierentransplantierte Patienten geflossen, dass die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) jetzt gestartet hat. Damit soll die langfristige Versorgung der Betroffenen nachhaltig verbesser.werden. Insgesamt sind 1.000 Patienten beteiligt.

Neuartiges Nachsorgemodell

Das neue Innovationsprojekt namens verfolgt drei Hauptziele: Das neue Organ soll möglichst lange funktionieren, die Lebensqualität der Patienten soll sich verbessern, und die medizinische Versorgung der Betroffenen soll optimiert und wirtschaftlich effizienter werden. Das Nachsorgeprogramm wird als sogenannte neue Versorgungsform mit rund sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert.

Optimale Versorgung nierentransplantierter Patienten ist komplex

Bei einer terminalen Niereninsuffizienz, also dem dauerhaften Versagen der Nierenfunktion, stellt eine Nierentransplantation für die Betroffenen die beste Therapieform dar. Jedoch verlieren acht Prozent der Transplantierten das neue Organ in den ersten drei Jahren nach der Verpflanzung wieder. In den Folgejahren nimmt das Transplantatversagen weiter stetig zu - für die einzelnen Betroffenen und auch angesichts des allgemeinen Mangels an Spenderorganen eine traurige Situation.

Neuartiges Versorgungsnetzwerk

Nach Aussage der Verantwortlichen gibt das neue Programm gibt das neue Programm den Medizinern im größtem Transplantationszentrum Deutschlands die Möglichkeit, ein neuartiges Versorgungsnetzwerk aufzubauen und ungelöste Probleme in der gesamten Transplantationsnachsorge systematisch anzugehen. Das Projekt sei geeignet als Modell für ganz Deutschland zu fungieren. Das Projekt "NTx 360°" ist das erste Versorgungsprogramm, in dem Kinder und Erwachsene gemeinsam betreut werden.

Sektorenübergreifende Versorgung

Bei der Umsetzung des Programms haben die Mediziner der MHH neben zwei internen Partnern, dem Institut für Sportmedizin und der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) und die AOK Niedersachsen (AOKN) an ihrer Seite. 400 Projektteilnehmer sind bei der AOK versichert. Mehrere andere Krankenkassen haben inzwischen ebenfalls ihre Bereitschaft erklärt, an dem Projekt teilzunehmen: BKK Landesverband Mitte stellvertretend für die Mitglieder der BKK Vertragsarbeitsgemeinschaft Mitte, BKK Mobil Oil, hkk, IKK Classic und TK.

Kommunikation zwischen Klinik und niedergelassenen Ärzten

Weitere Projektbeteiligte sind die niedergelassenen Nephrologen in Niedersachsen. Sie übernehmen die Betreuung der Patienten nah am Wohnort und sind daher wichtige Partner bei der Nachsorge der Nierentransplantierten.

Telemedizinisches Netzwerk mit elektronischer Patientenakte

Das Projekt "NTx 360°" wird zentral in der MHH koordiniert und bietet den Patienten eine enge Anbindung an ein sektorenübergreifendes Nachsorgeprogramm, das individuell auf ihre Situation abgestimmt ist. Kernstück des Programms ist ein telemedizinisches Netzwerk mit gemeinsamer elektronischer Patientenakte, auf die alle ins Programm eingebundenen Ärzte - in der MHH und auch in den Praxen vor Ort - Zugriff haben. Auch die Patienten selbst haben Einblick in ihre Daten, das ist für die Mediziner besonders wichtig. So werden Untersuchungen, Diagnosen, Medikationen, Therapien und vieles mehr für alle sichtbar und die Kommunikation zwischen den Betreuern zum Wohle der Patienten strukturiert und intensiviert. Durch sogenannte Televisiten können Risiken für die Gesundheit der Patienten früher erkannt und entsprechende therapeutische Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Technik wurde von dem Softwareunternehmen symeda GmbH entwickelt.

Psychosomatiker unterstützen die Patienten

Zur Optimierung der Versorgung soll jeder Patient regelmäßig vom Psychosomatiker gesehen werden, denn schwerwiegende psychische Störungen können den Transplantationserfolg beeinträchtigen.

Sportmediziner entwickeln individuelle Trainingstherapien

Patienten nach Nierentransplantation haben wegen der jahrelangen Krankheitsphase und der damit verbundenen Inaktivität erhebliche Einschränkungen der alltäglichen Belastbarkeit. Um den Alltag besser körperlich bewältigen zu können, die kardiovaskulären Begleiterkrankungen zu reduzieren und den durch die immunsuppressive Therapie beschleunigten Abbau von Knochendichte und Muskulatur entgegenzutreten, erhalten die Patienten im Institut für Sportmedizin eine Belastungs- und Leistungsdiagnostik und eine darauf abgestimmte persönliche Trainingstherapie.

Transitionsprogramm gehört zum Projekt

Damit transplantierte Kinder und Jugendliche während der Pubertät und beim Eintritts ins Erwachsenenleben lernen, die nötigen Medikamente regelmäßig einzunehmen, gehört ein Transitionsprogramm zum Projekt, das den Übergang der Betreuung vom Kinder- zum Erwachsenen-Nephrologen begleitet. Die Integration von Patienten aller Altersklassen ist ein einzigartiger Aspekt des Projekts.

Patienten setzen Hoffnungen in das neue Projekt

Die Aussicht, demnächst eine elektronische Patientenakte zu haben, findet Patient Christoph W. vielversprechend. Dem 50-Jährigen aus Seelze wurde im März 2016 in der MHH eine neue Niere transplantiert. Seine Mutter hatte das Organ für ihn gespendet. Nachdem er zunächst durch eine Darmentzündung geschwächt war, geht es ihm inzwischen einigermaßen gut. Alle zwei Wochen geht er zur Nachsorgeuntersuchung, jeweils im Wechsel in der MHH und bei seinem Nephrologen vor Ort.

Gerlinde K. aus Bremen ist ebenfalls Teilnehmerin an dem Programm. Sie verspricht sich Einiges von dem sportlichen Trainingsprogramm. Denn obwohl ihre Ärztin ihr Bewegung empfohlen hat, hat sie noch nicht die passende Sportart für sich gefunden. 

Moses L. gehört zu den kleinen nierentransplantierten Patienten. Der sechsjährige Junge aus dem hessischen Vellmar hat bereits zwei Nierenverpflanzungen hinter sich, weil das erste transplantierte Organ schon während der Transplantation verloren ging. Nach einer langen Zeit in Angst und Sorge konnten seine Eltern nach der zweiten Transplantation im Dezember 2015 endlich aufatmen.

MHH ist größtes Nieren-Transplantationszentrum in Deutschland

Die MHH ist das größte Nieren-Transplantationszentrum in Deutschland. Dort werden jährlich bis zu 170 Spendernieren verpflanzt. Eng damit verknüpft ist die klinische und experimentelle Forschung am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum Transplantation (IFB-Tx). Durch die Kooperation mit dem Nephrologischen Zentrum Niedersachsen (NZN) unter der Leitung von Professor Dr. Volker Kliem in Hannoversch Münden, in dem jährlich 60 bis 100 Nierentransplantationen erfolgen, umfasst das Programm "NTx 360°" alle nierentransplantierten Patienten in Niedersachsen. Das gesamte Projekt wird unabhängig evaluiert. "Alle Anteile, die nachweislich die Versorgung der Patienten verbessern, sollen bundesweit  in die Regelversorgung übernommen werden", betont Professor Dr. Mario Schiffer von der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen . Außerdem sollen die positiv evaluierten Elemente auch bei der Behandlung anderer Erkrankungen eingesetzt werden.

Förderung durch den Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses

Das Projekt "NTx 360°" ist eines von insgesamt 29 Projekten, die der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses im Jahr 2016 im Bereich der neuen Versorgungsformen gefördert hat. Die gesamte Fördersumme des Innovationsfonds beträgt in den Jahren 2016 bis 2019 jeweils 300 Millionen Euro. 75 Prozent der Mittel sollen für die Förderung neuer Versorgungsformen verwendet werden, 25 Prozent für die Versorgungsforschung. 

(Veröffentlicht am 16. Januar 2017)