Eine an der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelte Aufnahmetechnik ermöglicht die regionale Darstellung der Lungenfunktion ohne Strahlenbelastung und Atemstopps.
Lungenerkrankungen zu erkennen und zu beurteilen, ist eine medizinische Herausforderung. Eine herkömmliche Computertomografie (CT) eignet sich zwar gut, um die Struktur der Lunge hochaufgelöst darzustellen. Sie sagt aber wenig über die Lungenfunktion aus und bringt zudem eine Strahlenbelastung für die Patienten mit sich. Der Lungenfunktionstest ist weit etabliert, liefert aber nur Werte für die gesamte Lunge, sagt also nur aus, ob die Lunge krank ist, aber nicht wo genau. Eine Alternative ist die Bildgebung mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT), die ohne radioaktive Strahlung arbeitet. Allerdings ist die Lunge wegen ihres hohen Luftgehaltes für die MRT ein schwieriges Organ, weil sich nur wasserstoffhaltiges Gewebe im MR-Bild gut darstellen lässt. Außerdem ist es wichtig, dass Patienten während der herkömmlichen MRT Lungenbildgebung immer wieder den Atem anhalten.
Fachzeitschrift publiziert Artikel und detaillierte Videoanleitung
Um die Lungen-MRT patientenverträglicher und allgemein zugänglicher zu gestalten, haben Forschende unter der Leitung von Professor Dr. Jens Vogel-Claussen, leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und im Deutschen Zentrum für Lungenforschung am Standort Hannover (DZL-BREATH), die sogenannte PREFUL-Methode entwickelt. Diese Aufnahmetechnik erlaubt es, mit einem herkömmlichen MRT-Gerät Belüftung und Durchblutung der Lunge in hoher zeitlicher Auflösung regional darzustellen und kommt dabei ganz ohne Kontrastmittel, ohne eine speziell entwickelte MRT-Software (Sequenz) und ohne Atemstopps aus. Damit die PREFUL-MRT möglichst vielen Patienten zugutekommt, haben die Forschenden den gesamten Untersuchungsvorgang mit allen für die Bildauswertung erforderlichen Berechnungen nun im „Journal of Visualized Experiments“ veröffentlicht. Das Besondere dabei: Die elektronische Fachzeitschrift publiziert die ausführliche Anleitung nicht nur als Fachartikel, sondern stellt sie auch als detaillierte Videoaufzeichnung online zur Verfügung.
Weder zusätzliche Geräte noch weiteres Personal nötig
PREFUL steht für „phase-resolved functional lung“. Diese MRT-Methode erfasst Signalveränderungen in der Lunge über den gesamten Atem- und Herzzyklus. Sie misst somit nicht nur, wie sich beim Ein- und Ausatmen die Dichte des Lungengewebes ändert, sondern erfasst auch die Veränderungen, wenn das Herz Blut in den Körper und damit durch die Bildebene pumpt. „Dies ermöglicht uns nun, die regionale Lungenfunktion bei Lungenkrankheiten im frühen Stadium zu quantifizieren, ein verbessertes Therapiemonitoring und auch die Vorhersage von Krankheitsverläufen etwa nach Lungentransplantation“, erläutert Professor Vogel-Claussen.
„Die PREFUL-MRT hat viele Vorteile“, sagt MRT-Physiker Dr. Andreas Voskrebenzev, der die Aufnahmetechnik maßgeblich mitentwickelt hat. „Sie liefert ortsaufgelöste funktionale Information, wo genau in der Lunge das Problem vorhanden ist, entspannt die Untersuchung für Patientinnen und Patienten, ist weniger belastend und erfordert zudem außer einem Standard-MRT-Gerät weder zusätzliche technische Ausstattung noch weiteres medizinisches Personal.“ Diese experimentell bereits weit etablierte Methode nütze daher insbesondere radiologischen Fachpraxen und Kliniken, die an sogenannten explorativen Bildgebungsmarkern interessiert sind. Das sind Messwerte der Lungenfunktion, die noch nicht klinisch etabliert sind, aber in der Forschung zur Anwendung kommen und die sich beispielsweise für die Überwachung sensibler Patientengruppen wie etwa Kindern mit chronischen Lungenerkrankungen oder Patienten mit Niereninsuffizienz eignen.
PREFUL-MRT in zahlreichen Studien überprüft
Etwa drei bis fünf Bilder pro Sekunde entstehen während der Untersuchung. Jedes davon ist einer bestimmten Atem- und Herzphase zugeordnet. „Wir können die Bilder nach der MRT-Untersuchung umsortieren, um mehrere Aufnahmen einer ganz bestimmten Atemphase und einer ganz bestimmten Herzphase zusammenzufassen und so eine größere zeitliche Auflösung zu erzielen, also mehr Informationen zu erhalten“, erklärt Dr. Voskrebenzev. Die Bilder lassen sich anschließend in Biomarker umrechnen und können so zum Beispiel die Durchblutung der Lunge als konkreten Wert in Milliliter pro Minute angeben. Die Forschenden haben die Methode in zahlreichen Studien anhand verschiedener Krankheitsbilder und unterschiedlicher Altersgruppen überprüft. So konnten sie etwa zeigen, dass sich bei COPD-Betroffenen nach einer Inhalationsbehandlung die Atmungsfunktion deutlich verbesserte. „Das war direkt in der Lunge darstellbar“, sagt der Wissenschaftler.
Bessere Vorhersage von Komplikationen nach Transplantation
Auch bei Patienten mit Mukoviszidose, Lungenhochdruck und COVID-19 hat sich das PREFUL-MRT bewährt, um die Krankheiten zu beurteilen und die Veränderung der Behandlung nach der Therapie zu überwachen. Zudem lassen sich mit PREFUL-MRT chronische Komplikation nach Lungentransplantation besser voraussagen. Mit ihrer Veröffentlichung geben die Forschenden nun eine Art Handbuch mit genauen Anleitungen, möglichen Fehlerquellen und Lösungsvorschlägen zu ihrer PREFUL-Methode heraus. Damit wollen sie die Technik allen interessierten Radiologen zugänglich machen und die Verbreitung der PREFUL-MRT weiter fördern.
Software auch als fertige App
Wer sich nicht durch die methodische Anleitung arbeiten möchte, um die PREFUL-Methode in der eigenen Praxis oder Klinik einzusetzen, kann die Software auch als fertige App erhalten. Interessierten erteilt das von den MHH-Forschenden gegründete Start-up „BioVisioneers“ gegen Gebühr die PREFUL-App für die sofortige Anwendung.
Videos
Medizinische Hochschule auf wissen.hannover.de
Videos der Medizinische Hochschule Hannover auf der Mediathek der Initiative Wissenschaft Hannover.