Pilotprojekt

Stadt Hannover testet Vier-Tage-Plus-Woche

Mitarbeitende der Landeshauptstadt Hannover haben die Vier-Tage-Plus-Woche in einem Pilotprojekt getestet. Ein Überblick über die Fakten, betrachtet zwischen kontroverser Diskussion in klassischen Medien, auf sozialen Kanälen und in direkten Gesprächen.

Die städtischen Beschäftigen Sascha Kusz (Fachbereich Personal und Organisation), Petra Thomassen und Lennart Schaer (beide Taskforce Digitalisierung)  schilderten ihre Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche.

„Noch weniger für die Bürger da“, schallte es durch die Sozialen Medien. „Etikettenschwindel“, kommentierte eine große Tageszeitung. „Was für ein Langzeitkonto?“, hieß es in der Teeküche. Aus dem Test der Vier-Tage-Plus-Woche in der Stadtverwaltung entspann sich bunter Gesprächsstoff zwischen Fakten und Fake, zwischen Meinung und Dichtung. Was stimmt? Ein Überblick.

 

Über das Pilotprojekt

Es war ein Test-Pilotprojekt von Mitte März bis Mitte Juni 2023: Modernes Arbeiten in einem innovativen Zeitmodell – erprobt durch die Landeshauptstadt Hannover. 32 Mitarbeitende in zwei Bereichen machten mit und testeten die Vier-Tage-Plus-Woche. Sie gehören zur Taskforce Digitalisierung und dem Bereich Wahlen und Statistik. Ihre Erfahrungen zeigten Vor- und Nachteile. Neben spannenden Möglichkeiten stellten sich auch wichtige Fragen. Eignet sich das Modell überhaupt für die Stadtverwaltung?

Warum testet die Stadt das Modell?

Dezernent Prof. Lars Baumann stellte die Ergebnisse des Pilotprojekts zur Vier-Tage-Woche bei der Stadt vor.

"Ich denke, es ist so viel zu tun beim Elterngeld und Co.", kommentierte eine Social-Media-Nutzerin. Darum geht es. Die Stadtverwaltung Hannover steht im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte. Eine Vier-Tage-Woche kann die Kommune als Arbeitgeberin attraktiver machen für neue Fachkräfte. Das Angebot kann zugleich erfahrene Mitarbeitende mit ihrem Fachwissen an die Verwaltung binden. 

Für Personaldezernent Prof. Lars Baumann ist ein wichtiger Faktor die Gesundheit, erklärte er bei einer Pressekonferenz im Juli 2023. Bei einem vergleichbaren Projekt in England seien die Krankheitstage bei den teilnehmenden Unternehmen um zwei Drittel zurückgegangen.

Eine britische Studie hatte die Diskussion um eine Vier-Tage-Woche im ersten Halbjahr 2023 neu entfacht. Die Mitarbeitenden seien zufriedener und produktiver, berichteten viele Medien damals. Aber es gab auch kritische Stimmen. So wies beispielsweise das Institut der Deutschen Wirtschaft darauf hin, dass sich die Studienergebnisse nur begrenzt übertragen ließen. Teilnehmende Unternehmen machten überwiegend Büroarbeit. Zudem seien sie bereits durch die aktive Bewerbung aufgeschlossen gewesen. Nicht klar belegen lasse sich laut Institut der Deutschen Wirtschaft zudem, wie sich die Produktivität entwickele, die sich in unterschiedlichen Arbeitsbereichen schwer messen ließe. Umsatzmessungen seien beispielsweise nicht immer passend. Für die Landeshauptstadt Hannover ist klar: Besser anwendbar auf das eigenen Arbeitsumfeld sind die Ergebnisse, die sich im eigenen Pilotprojekt ermitteln lassen.

Arbeit, Zeit und Freizeit

"Bemerkenswert, dass die Beschäftigten ihre derzeitige Arbeit, die für fünf Tage bemessen sein sollte, plötzlich in vier Tagen schaffen", kommentierte eine weitere Social-Media-Nutzerin. Tatsächlich gaben die Testenden an, dass der Stress-Level in den vier Tagen stieg. Das ermittelten Studierende der Hochschule Hannover, die das Projekt wissenschaftlich begleiteten. „Die Ergebnisse fallen auf den ersten Blick nicht so positiv aus, wie es aufgrund anderer Studien zu erwarten gewesen wäre“, führte Lars Baumann vor der Presse aus. Die Befragten gaben in Teilen ein höheres Stress-Level an, vor allem, weil sie die Arbeit von fünf nun an vier Tagen erledigen sollten. Zudem stand der fünfte Tag nicht als Freizeit zur Verfügung und war beispielsweise für Fortbildungen bestimmt. Hingegen habe sich das Arbeitsklima in dem erprobten Zeitmodell verbessert. Teilweise zeigte sich eine messbar höhere Motivation. 

Baumann trat Missverständnissen entgegen: Das Modell der Vier-Tage-Plus-Woche sieht nicht vor, dass Mitarbeitende für Tag fünf Langzeitkonten plündern sollten. Auch ein Überstundenabbau ist nicht für den Tag vorgesehen. Weiterhin untersuche die Landeshauptstadt, in welcher Form die Vier-Tage-Woche umsetzbar sein könnte.

Vier Tage und das Plus

„Ich glaube nicht, dass man durch die vier Tage mehr Freizeit hat“, schrieb eine Social-Media-Nutzerin. Tatsächlich. Eine reine Vier-Tage-Woche lässt der gültige Tarifvertrag im öffentlichen Dienst derzeit nicht zu. Deshalb gestaltete die Landeshauptstadt die Vier-Tage-Plus-Woche: vier Tage die übliche Arbeit erledigen, den fünften Tag raus aus der alltäglichen Arbeit und Zeit für Fortbildungen, Teambuilding oder Präventionsangebote. Das klang erst einmal gut, in der Praxis entpuppte sich die Gestaltung des fünften Tages als schwierig. Ihn zu organisieren, war ein weiterer Aufwand. Der Tag selbst war dann ebenfalls keine Freizeit und stand beispielsweise nicht zur privaten Erholung zur Verfügung.

Eignet sich das Modell?

Das ist offen. Die Stadtverwaltung hat aus der Testphase neue, gute Impulse bekommen. „Wir werden uns dem Thema weiterhin widmen und untersuchen, in welchem Modus die Vier-Tage-Woche bei der Landeshauptstadt machbar ist“, sagte Personaldezernent Prof. Lars Baumann bei einer Pressekonferenz im Juli 2023. Eine Vier-Tage-Woche könne die Kommune als Arbeitgeberin attraktiver machen. Dann profitieren auch die Fachbereiche von motivierten Arbeitnehmer*innen und damit die Bürger*innen von einem leistungsstarken Service.

Ist das Modell in der Verwaltung realistisch?

Aktuell nicht, künftig vielleicht. Baumann sieht dafür noch eine lange Diskussion. Derzeit verhindern vor allem die Tarifverträge das andere Arbeitszeitmodell. Der Vertrag läuft zwei Jahre lang. Die nächste Chance für die Einführung einer Vier-Tage-Woche wäre, wenn die Tarifparteien im Jahr 2025 den Weg frei machen.

Wo wäre das überhaupt umsetzbar?

Das ist noch offen. Auch auf diese Frage sucht das Pilotprojekt Antworten. Bürgerämter sind als Beispiel von einer Tageszeitung ins Spiel gebracht worden: An vier Tagen könnten sie nicht gleich vielen Menschen Service bieten wie an fünf Tagen. Es gibt allerdings auch Modelle, bei denen Mitarbeitende abwechselnd an unterschiedlichen Tagen frei haben, damit keine Schließzeiten entstehen. Es ist denkbar, die Umsetzbarkeit für unterschiedliche Bereiche zu prüfen. Die Arbeitswelt wandelt sich, digitale Serviceangebote wachsen, so können sich langfristig Veränderungen ergeben. Die Landeshauptstadt untersucht und erprobt weiterhin, unter welchen Bedingungen die Vier-Tage-Woche möglich wäre.