Kein Brot, aber auch kein Marmorkuchen, keine Tütensuppe und keine Fischstäbchen: Ohne Weizen geht es nicht in der weltweiten Lebensmittelproduktion. Und auch als Futtermittel für Tiere ist er nicht wegzudenken. Nach Mais und Reis ist Weizen auf Platz drei der internationalen Getreideproduktion. Dabei wünschen sich Konsumenten aus westlichen Industrieländern verstärkt Getreide aus ökologischer Landwirtschaft, während die ärmeren Länder Pflanzen brauchen, die möglichst hohe Erträge abwerfen. Genau dieser Spagat steht im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens BRIWECS, das zurzeit am Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme (IGPS) der Leibniz Universität Hannover läuft. BRIWECS steht dabei für "Breeding Innovations in Wheat for Resilient Cropping Systems". Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt über eine Zeitdauer von fünf Jahren mit insgesamt 3,5 Millionen Euro.
Neben dem IGPS unter Leitung von Prof. Dr. Hartmut Stützel sind sechs weitere Partner aus der Forschung an dem Vorhaben beteiligt: das Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik und das Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (beide Universität Bonn), das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung (Universität Kiel), das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung (Universität Gießen), das Institut für Resistenzforschung und Stresstoleranz (Julius Kühn-Institut, Quedlinburg) und das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (Gatersleben). Die Koordination des Forschungsverbundes BRIWECS liegt in den Händen von Professor Stützel und Dr. Barbara Hahne vom IGPS.
Um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie der Weizen der Zukunft aussehen soll, befassen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst mit der Vergangenheit. Untersucht werden Sorten, die innerhalb der vergangenen 50 Jahre entwickelt wurden. In dieser Zeit gab es erhebliche Veränderungen innerhalb der Arten durch die Züchtung. Der Ertrag sei jedes Jahr um zwei Prozent gestiegen, erklärt Professor Stützel.
Die Bestandsaufnahme soll helfen, zunächst zu dokumentieren, wie die optimalen Bedingungen für die bereits vorhandenen Weizensorten aussehen. Welche Sorte verträgt starke Niederschläge? Welche braucht viel Sonne? Welche Sorte ist widerstandsfähig gegen Trockenstress oder Krankheitsbefall? Welchen Einfluss hat die Intensität der Bewirtschaftung? Antworten auf diese und weitere Fragen sollen in umfangreichen Versuchen auf dem Feld, aber auch in Laboren und Gewächshäusern gefunden werden. Insgesamt 220 Weizengenotypen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfassen, um so die genetische Vielfalt zu ermitteln.
Doch wie soll der Weizen der Zukunft aussehen? Noch ertragreicher? Noch robuster? "Wir suchen nicht den besten Weizen, sondern den passenden Weizen für bestimmte Verhältnisse", sagt Professor Stützel. Die Dokumentation über die genetische Vielfalt bildet dabei die Grundlage des Forschungsvorhabens. Auch die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie das Zusammenspiel zwischen Züchtern, Landwirten, Verarbeitern und Konsumenten spielen eine Rolle, wenn es darum geht, neue Weizensorten zu etablieren.
Die Zeit ist dabei ein wichtiger Faktor. Da es aber rund 15 Jahre dauert, bis eine neu gezüchtete Sorte tatsächlich angebaut wird, geht es nicht nur darum, was die Verbraucher von heute für Ansprüche haben, sondern vor allem um die Ansprüche von morgen. Gleichzeitig will das Forscherteam mögliche Umweltveränderungen durch den Klimawandel berücksichtigen. So besteht beispielsweise die Annahme, dass extreme Wetterereignisse wie starke Niederschläge und lange Trockenperioden weiter zunehmen. Die Pläne, die die Forscherinnen und Forscher entwickeln, sind also auf das Jahr 2030 ausgerichtet.
(Veröffentlicht: 17. Juni 2015)