Tierärztliche Hochschule Hannover

Zahn­wale ver­wen­den unter­schied­liche Stimm­lagen

Delfine, Schwertwal und Pottwale und andere Zahnwale jagen, kommunizieren und orientieren sich mit Hilfe ihrer Stimme. Eine aktuelle Studie im Fachmagazin Science beschreibt drei unterschiedliche Stimmlagen und die Anatomie, die es möglichst macht, die Töne unter Wasser zu erzeugen. Zahnwale erzeugen die lautesten Töne im Tierreich. 

Auf dem Campus der Tierärztlichen Hochschule am Bischofsholer Damm sind unter anderem die Klinik für Rinder, das Anatomische und Physiologische Institut untergebracht.

Delfine, Schwertwal und Pottwale gehören zu den Zahnwalen. Um zu kommunizieren, zu jagen und sich zu orientieren, erzeugen sie Geräusche. Wie die Tiere die Geräusche tausend Meter unter Wasser, wo der Druck hundert Mal höher ist als an der Oberfläche, erzeugen, war bisher nicht bekannt. Professorin Dr. Ursula Siebert, Leiterin des Instituts für Terrestrische und Aquatischen Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), Professor Coen Elemans, Stimmforscher am Fachbereich Biologie der Universität Süddänemark, und Professor Peter Madsen, Walbiologe am Fachbereich Biologie der Universität Aarhus in Dänemark, veröffentlichten im Fachmagazin Science eine Studie über unterschiedliche Stimmlage und die dafür nötige Anatomie. Um die Technik zu entwickeln und die Daten für ihre Studie zu sammeln, benötigte das Team zehn Jahre.

Die Stimmlagen

Wie Menschen haben Zahnwale mindestens drei Stimmlagen: Vocal Fry, eine Bruststimme und Falsett. Vocal Fry beschreibt eine tiefe, knarrende Stimme. Im amerikanischen Englisch wird sie häufig verwendet. Kate Perry oder Kim Kardashian sind Beispiele dafür. Sie Bruststimme ist mit unserer Sprechstimme vergleichbar. Falsett erzeugt eine höhere Frequenz wie die männliche Kopfstimme. Sie ist auch mit der weiblichen Sopran- oder Altstimme zu vergleichen.

„Die Vocal-Fry-Stimmlage setzen die Wale ein, wenn sie jagen“, erklärt Siebert. Die Tiere erzeugen Geräusche, deren Schall von den Beutetieren abprallt und als Echo zu den Walen zurückkehrt. Mit Hilfe dieser Echoortung können sie ihre Beute in bis zu zweitausend Metern Tiefe in völliger Dunkelheit orten, verfolgen und fangen. Sie stoßen dafür kurze kräftige Ultraschall-Töne mit einer Geschwindigkeit von bis zu 700 Tönen pro Sekunde aus. Schall verbreitet sich im Wasser fünfmal schneller aus als in der Luft. „Für die Vocal-Fry-Töne müssen sie die Stimmlippen nur kurz öffnen, sodass sie nur sehr wenig Luft für diesen Ton benötigen – für die Echoortung und die Jagd ideal“, so Siebert. Bei tiefen Tauchgängen wird die Luft in den Lungen der Wale durch den hohen Druck unter Wasser zusammengepresst.

Die Anatomie

Vor bereits 40 Jahren wurden entdeckt, dass Zahnwale, Töne nicht wie andere Säugetiere mit dem Kehlkopf, sondern mit sogenannten Schalllippen in der Nase erzeugen. Was genau dabei passiert beschreibt das Forschungsteam in der aktuellen Studie. Sie nutzten dafür Hochgeschwindigkeitsvideos, die sie mit Endoskopen, also kleinen Kameras, aufzeichneten. Ihre Messungen machte sie mit trainierten Delfinen und Tieren in freier Wildbahn, die sie von kleinen Booten aus mit kleinen Sendern versehen hatten. „Physikalisch funktioniert ihr System genauso wie der Kehlkopf bei Säugetieren oder der Stimmkopf bei Vögeln“, erklärt Siebert, „auch sie nutzen Luft, um Töne zu erzeugen.“ Die Töne entstehen statt in der Luftröhre aber in der Nase. Das ermöglicht es den Walen, einen höheren Druck zu erzeugen: Er kann bis zu fünfmal so hoch sein wie der Druck, den ein Trompeter mit seinem Instrument erzeugen kann. „Eines der Rätsel, das wir lösen mussten, war, wie es ihnen gelingt, in tausend Metern Tiefe einen ausreichenden Luftstrom zu erzeugen. Der Druck ist dort so groß, dass die Luft in den Lungen der Wale auf ein Prozent des Volumens, das sie an der Oberfläche haben würde, zusammengepresst wird. Die verbliebene Luft sammelt sich in einem kleinen Muskelsack im Maul. Herauskommen dabei schließlich die lautesten Töne, die Tiere überhaupt erzeugen können“, so Siebert.

Wenn die Tiere tiefer als hundert Meter tauchen, kollabieren ihre Lungen, um die Druckfall- oder Taucherkrankheit zu vermeiden. Die Luft aus den Lungen steht den Zahnwalen also nicht mehr zur Verfügung steht. Um Töne zu erzeugen, nutzen sie die im Muskelsack gesammelte Luft: Der Wal öffnet für etwa eine Millisekunde ein Ventil, wodurch ein Luftstoß mit sehr hohem Druck an den vibrierenden Schalllippen in der Nase entlangströmt. Wenn die Lippen wieder zusammenschlagen, entsteht der Klicklaut. Diese Schallwellen breiten sich dann zur Vorderseite des Walkopfes aus. 

Die Originalpublikation

Toothed whales use distinct vocal registers for echolocation and communication
Peter T. Madsen, Ursula Siebert, Coen P. H. Elemans
Science, DOI: 10.1126/science.adc9570

Audiomaterial

Audiomaterial zu dieser Pressemitteilung finden Sie im Internet unter www.tiho-hannover.de/pressemitteilungen 
 

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