Wohlbefinden auf Rezept - Hannover.de

Prinzip des „Social Prescribing“

Wohlbefinden auf Rezept

Neues Projekt gegen Einsamkeit von der Landeshauptstadt Hannover, dem Seniorenbeirat und dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband Niedersachsen für ältere Menschen startet.

Präsentieren das Rezept gegen Einsamkeit: Sozialdezernentin Sylvia Bruns, Dr. Cornelia Goesmann, Vorsitzende des Seniorenbeirats der Landeshauptstadt Hannover, und Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Niedersachsen.

Ältere, von Einsamkeit bedrohte Menschen haben oft wenig Kontakte. Verwandte sind verstorben, Antrieb oder Kraft reichen nicht aus, um der Isolation zu entkommen. Einsamkeit kann dann häufig auch krank machen. Genau dort setzt das neue Projekt „Gemeinschaft und Gesundheit auf Rezept“ der Landeshauptstadt Hannover, des Seniorenbeirates Hannover und des Hausärztinnen-und Hausärzteverbandes Niedersachsen an. Die*der Hausärztin*arzt stellt beim Praxisbesuch ein „Rezept“ aus und bittet die Patient*innen, Kontakt zu dem*der, auf dem Rezept namentlich genannten, Sozialarbeiter*in des städtischen Fachbereichs Senioren in ihrem Stadtbezirk aufzunehmen.

Von Einsamkeit bedrohte Menschen niedrigschwellig erreichen

Sylvia Bruns, Sozialdezernentin der Landeshauptstadt Hannover, skizziert die Beweggründe der Stadt für diese Initiative: „Die vielfältigen Beratungs- und Teilhabemöglichkeiten für ältere Menschen in Hannover könnten noch von weit mehr Menschen in Anspruch genommen werden. Wir erreichen die von Einsamkeit bedrohten Menschen aber häufig nicht mehr über die klassischen Wege der sozialen Arbeit. Genau hier kann das Projekt helfen, um niedrigschwellig Menschen in ihrem Stadtteil anzusprechen“.

Dr. Cornelia Goesmann, Vorsitzende des Seniorenbeirates der Landeshauptstadt Hannover, unterstreicht: „Wir freuen uns sehr über die Kooperation mit dem Verband, wodurch Hausarztpraxen in Hannover zum Türöffner werden können. Denn oft sind der Hausarzt oder die Hausärztin eine*r der wenigen Menschen, mit denen die älteren, von Einsamkeit bedrohten Menschen sprechen und deren persönliche Empfehlungen Gehör finden“.

Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Niedersachsen, erläutert: „Wir Hausarztpraxen sind oft die erste und manchmal auch die einzige Anlaufstelle für ältere Menschen – nicht nur bei medizinischen, sondern auch bei sozialen Problemen. Wir erleben beinahe täglich, wie sehr Einsamkeit die Gesundheit beeinträchtigen kann. Mit ‚Gemeinschaft und Gesundheit auf Rezept‘ bauen wir eine einfache Brücke: Aus dem Gespräch in der Praxis heraus können wir Patientinnen und Patienten unkompliziert an Unterstützung im Stadtteil weiterleiten.“

Wohlbefinden per Rezept

Mit der Kampagne "Wir sind da. Mach mit." hatte die Stadt 2024 mit weiteren Partner*innen zum Thema Einsamkeit bei älteren Menschen sensibilisiert und informiert. Einsamkeit wurde zum Thema, Wissen gestärkt und Angebote gegen Einsamkeit bekannter gemacht. Das neue Projekt knüpft nun daran an.

Mit dem „Rezept“ können die Menschen die Sozialarbeitenden des städtischen Fachbereichs Senioren telefonisch direkt erreichen. Sie können ohne Anmeldung die wöchentliche Sprechstunde in ihrem Stadtbezirk besuchen. Die Sozialarbeitenden ermitteln anhand einer ausführlichen Seniorenberatung die Bedarfe, informieren über individuell passende Angebote, um wieder Zugänge zu Gemeinschaft zu finden, beispielsweise von Ehrenamtlichen organisierte gemeinsame Spaziergänge in der Natur oder Gesprächs- und Bewegungsangebote, um unkompliziert und kostenfrei wieder mit Menschen in Kontakt zu kommen. Die Angebote der weiteren Kooperationspartner*innen, der Sozial- und Wohlfahrtsverbände, wie beispielsweise von Ehrenamtlichen organisierte gemeinsame Mittagstischangebote, werden ebenso empfohlen.

Prinzip des „Social Prescribing“ als Basis

Das Konzept „Gesundheit und Gemeinschaft auf Rezept“ basiert auf dem Prinzip des „Social prescribing“, das seinen Ursprung in Großbritannien hat und dort bereits flächendeckend eingesetzt wird. Die Umsetzung erfolgt zunächst durch die Ausstellung eines sozialen Rezepts durch die Hausärzt*innen. Social Prescribing ist ein innovativer Ansatz, um gesundheitsrelevante, psychosoziale und emotionale Bedürfnisse in der Primärversorgung zu berücksichtigen. So können neben der regulären medizinischen Versorgung auch soziale Probleme behandelt werden. Patient*innen, die ein soziales Rezept erhalten, werden dann zu einem sogenannten Link Worker überwiesen. Mithilfe des Link Workers werden die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen erfasst, Ziele vereinbart und gemeinsam ein Aktionsplan erstellt. Innerhalb des Aktionsplans werden Patient*innen an bestehende lokale Angebote und Organisationen vermittelt.

Einsamkeit und die Folgen in Hannover

In Hannover leben laut städtischer Untersuchungen 140.273 Menschen im Alter von 60 Jahren und älter. Das ist ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Es gibt mehr und mehr Hochaltrige. Ende 2022 sind nahezu 17.000 Hannover*innen 85 Jahre alt oder älter.

Menschen, die von Armut bedroht oder betroffen sind, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, einsam zu sein. Nach statistischen Erhebungen der Landeshauptstadt Hannover steigt die Armut auch bei älteren Menschen stark an. Über 15.700 Senior*innen beziehen Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, darunter sind 10.811 Personen, die Leistungen nach dem SGB XII, Grundsicherung im Alter beziehen, 4.491 Personen, die Leistungen nach dem SGB II /Bürgergeld beziehen, 342 Personen, die SGB XII - Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen und 85 Personen, die Leistungen nach dem AsylbLG beziehen. Insgesamt liegt die Transferleistungsquote der Generation 60 plus bei 11,2 Prozent, Tendenz steigend. Die Altersarmutsquote stieg innerhalb eines Jahres um 530 Personen bzw. um 3,5 Prozent.

Menschen, die Care-Arbeit leisten wie beispielsweise ihre Angehörigen zu pflegen, sind nach den städtischen Untersuchungen ebenfalls stärker von Einsamkeitsbelastungen betroffen. Sie sind auch stärker von Armut bedroht und weisen somit eine wichtige Schnittstelle zwischen Armutsbekämpfung und Einsamkeitsprävention auf. Die große Mehrheit der pflegebedürftigen Menschen in Hannover lebt in den eigenen vier Wänden (80 Prozent). Dabei werden mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen ausschließlich durch Angehörige gepflegt (51 Prozent) und weitere 29 Prozent nehmen ergänzend ambulante Pflegedienste in Anspruch. 20 Prozent der Pflegebedürftigen lebt in einer stationären Pflegeeinrichtung.

Bundesweite Daten

Auch bundesweit zeigt sich ein ähnliches Bild: Im Jahr 2021 hatten, laut einer Untersuchung des Bundesfamilienministeriums, 60,7 Prozent der Menschen in Deutschland mit erhöhten Einsamkeitsbelastungen eine unterdurchschnittliche körperliche Gesundheit – das heißt, Armut macht auch krank. Menschen mit Einsamkeitsbelastungen zeigten demnach häufig ein niedrigeres Vertrauen in politische Institutionen. Einsamkeitsbelastungen seien laut des Berichtes ein integraler Teil versteckter Armut.

Quellen:

  • Einsamkeitsbarometer 2024, Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
  • Neues aus der Pflegestatistik 2023 (LHH) Armutsmonitoring 2023 (LHH), Sozialbericht 2023 (LHH)

Landeshauptstadt Hannover

Koordinationsstelle Sozialplanung

Beobachtungen und Analysen aktueller sozialplanerischer Entwicklungen

lesen

Gesundheit und Gemeinschaft auf Rezept

Folder zur Gesundheitsförderung und Vorsorge für ältere Menschen des Fachbereichs Senioren der Landeshauptstadt Hannover

Dateityp: pdf Größe: 436 kB

 

Nach oben