MHH

Kniegelenke aus körpereigenem Material

Positive Bilanz: Unfallchirurgen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben Kniepatienten mit körpereigenem Material behandelt – inzwischen leben einige von ihnen seit fünf Jahren mit Knochen, Knorpel, Sehnen und Bändern aus der sogenannten regenerativen Medizin.

Professor Michael Jagodzinski (links) und Professor Christian Krettek schauen sich ein Röntgenbild des Knies von André S. (Mitte) an.

Die Rekonstruktion und Regeneration von Gelenken gehört zu den Behandlungsschwerpunkten der MHH-Klinik für Unfallchirurgie. Ein große Rolle spielt dabei das sogenannte Tissue Engineering – mithilfe dieses Verfahrens können beispielsweise Knorpel- und Knochenstücke aus körpereigenem Material im Labor nachgezüchtet und zur Behandlung von Gelenkschäden eingesetzt werden. "Die Grundlage dafür sind Stammzellen mit hohem Vermehrungs- und Differenzierungspotenzial, die wir durch eine Punktion am Beckenkamm des Patienten gewinnen", sagt Christian Krettek, Direktor der MHH-Klinik für Unfallchirurgie. "Die Zellen werden im Labor isoliert, millionenfach vermehrt und stehen dann für verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung."

Halbes linkes Knie zerstört

Die Chirurgen der Hochschule sind in der Lage, ganze Gelenkflächen aus körpereigenem Material zu ersetzen, in Kombination mit dem Ersatz von Gelenkknorpel und Bändern. Einer der Patienten mit einem Gelenk dieser Art ist André S. Bei einem Autounfall im Jahr 2006 wurde das halbe linke Knie des damals 25-Jährigen zerstört. Die Ärzte einer Thüringer Klinik teilten ihm mit: Ein künstliches Kniegelenk sei höchstwahrscheinlich vonnöten.

Operation im März 2008

Als André S. eineinhalb Jahre später in die MHH kam, hatte er starke Schmerzen und konnte nicht richtig laufen. "Sowohl im oberen als auch im unteren Teil des Kniegelenks waren Knochen und Knorpel geschädigt", sagt Professor Dr. Michael Jagodzinski von der MHH-Klinik für Unfallchirurgie. Der Gelenkchirurg setzte André S. im März 2008 neue Knorpel, Sehnen und Gelenkflächen ein. Für die Knorpel wurden dem Patienten sechs Wochen vor der OP körpereigene Knorpelzellen entnommen und im Labor gezüchtet. Die Sehnen stammten vom Oberschenkelstreckmuskel des jungen Mannes.

Knochenblock aus dem Beckenkamm herausgenommen

"Um die Knochenstücke nachzubilden, haben wir einen Knochenblock aus dem Beckenkamm herausgenommen und während der Operation mit einer speziell dafür angefertigten Kopierfräse die benötigten Teile angefertigt", sagt Jagodzinski. Als Vorlage für die Rekonstruktion dienten Vergleichsbilder vom gesunden Knie.

Einjährige OP-Vorbereitung

Etwa ein Jahr lang hatte das Team um Jagodzinski den Eingriff vorbereitet. Inzwischen sind fünf Jahre vergangen, und bisher hat es laut MHH keine Komplikationen gegeben. "Es gab keinen Infekt, die Implantate sitzen immer noch sehr gut, und die Arthrose des Patienten ist kaum fortgeschritten", sagt der Gelenkchirurg. Auch André S. ist mit dem Ergebnis zufrieden. "Ich komme im Alltag gut zurecht", sagt der heute 32-Jährige, der gerade seine Diplom-Arbeit in Elektrotechnik schreibt. Damit sein Zustand weiterhin so gut bleibt, hält er sich körperlich fit. "Ich versuche, mein Körpergewicht zu halten, gehe ins Fitnessstudio und fahre Rad." Einmal pro Jahr kommt er zum Check in die MHH.

"Methode hat ein großes Potenzial"

Seit 2008 hat Jagodzinski knapp zehn Patienten mithilfe von Tissue Engineering zu "neuen" Kniegelenken verholfen. "Die Methode hat ein großes Potenzial. Langfristig können damit sicher viele krankheits- oder verschleißbedingte Organschäden therapiert werden", sagt Klinik-Direktor Krettek. Eine Behandlungsmethode für die breite Masse sei das Verfahren aber noch nicht. Jeder Fall müsse individuell betrachtet werden.

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