Dieser Frage geht Professorin Dr. Kirsten Müller-Vahl aus der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nach. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt die Studie CANNA-TICS mit fast 1,4 Millionen Euro.
Ziel der Studie
Das Tourette-Syndrom ist eine Nervenerkrankung, die mit Tics einhergeht, das heißt unwillkürlichen Bewegungen und Lautäußerungen. Sie ist nicht heilbar. Tics können derzeit verhaltenstherapeutisch sowie mit Psychopharmaka behandelt werden. Seit einigen Jahren wird Tetrahydrocannabinol (THC) für die mögliche Anwendung untersucht – auch, weil viele Patienten nach dem Konsum von Cannabis eine Linderung ihrer Symptome erfahren. Doch bisher gibt es noch keine ausreichenden Erkenntnisse, die eine solche Behandlung begründen könnten. In CANNA-TICS geht es darum, wie wirksam und sicher das Hanfpflanzen-Extrakt Nabiximols (Sativex®) in der Behandlung von Erwachsenen mit Tourette-Syndrom ist. Es enthält die Cannabis-Wirkstoffe THC und Cannabidiol (CBD). In den kommenden drei Jahren werden 96 Patienten für elf bis 13 Wochen in sieben deutschen Zentren behandelt.
Bundesweit größte Tic-Sprechstunde
MHH-Professorin Müller-Vahl hat bisher rund 2.500 Patienten mit Tourette-Syndrom und Tics in ihrer Sprechstunde kennengelernt. Es handelt sich um die größte Sprechstunde dieser Art in Deutschland, in der Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche behandelt werden. "Das Cannabinoid-Rezeptor-System ist in unserem Körper weit verbreitet und dessen Stimulation führt zu vielfältigen Wirkungen. Deshalb helfen Cannabis-basierte Medikamente möglicherweise bei rund 50 Krankheiten beziehungsweise Symptomen", sagt sie.
Kassen tragen Kosten nicht
Theoretisch können Cannabis-basierte Medikamente zwar auch heute schon verordnet werden, dies scheitert aber meist an der fehlenden Kostenübernahme durch die Krankenkassen – eben weil die Wirksamkeit dieser Medikamente in der Behandlung von Patienten mit Tourette-Snydrom noch nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Alternativ können Patienten bereits heute Medizinal-Cannabis legal in der Apotheke kaufen – allerdings nur, wenn sie zuvor eine entsprechende Erlaubnis von der Bundesopiumstelle erhalten haben. Das nehmen derzeit deutschlandweit 600 Patienten mit ganz unterschiedlichen Erkrankungen in Anspruch. Da es für die Patienten sehr teuer ist und es oft Lieferprobleme gibt, plant die Bundesregierung derzeit, den Patienten den Zugang über eine Cannabis-Agentur zu erleichtern.
Weitere Studie via Internet
Seit gut einem Jahr betreut Professorin Müller-Vahl auch die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit gut einer Million Euro unterstützte klinische Studie ONLINE-TICS. Darin wird eine Internet-Plattform erstellt, die eine Verhaltenstherapie für die Behandlung von Patienten mit Tourette-Syndrom und Tics anbietet. So soll die Versorgungslücke geschlossen werden, die derzeit in Bezug auf erfahrene Verhaltenstherapeuten besteht. Patienten können an beiden Studien teilnehmen.