Musealien aus dem Besitz Klara Berliners

Restitutionen, Klara Berliner, 01.12.2021

2022: Gerechte und faire Lösung - Die Zukunft des Rokoko-Schranks und der Straminplatte Klara Berliners

Klara Berliner (1897-1943)

Der Rokoko-Schrank

Dieser Rokoko-Schrank gehörte Klara Berliner, geboren am 22. Dezember 1897 in Hannover.

Der Rokoko-Schrank Klara Berliners, um 1770

Sie war die Tochter des Fabrikanten Joseph Berliner, geboren 1858, und seiner Frau Therese Wild (1864-1934). Joseph Berliner, war der Gründer der ersten Telefonfabrik in Europa, und der erstem Schaltplatten-Fabrik auf europäischen Boden, der Deutschen Grammphon GmbH in Hannover, und der Bruder des berühmten Erfinders Emil Berliner (1851-1929). Nach dem Tod ihres Vaters am 23. Mai 1938 wurde Klara Berliner seine Alleinerbin. So erbte sie auch sein Haus in der Brühlstr. 7 mitsamt den wertvollen Einrichtungsgegenständen wie diesem Wäscheschrank, der im Schlafzimmer ihrer Eltern stand.

Als die deutschen Vermieter überall in Deutschland jüdischen Mietern kündigten, nahm Klara Berliner ab September 1938 jüdische Verwandte und Bekannte in ihrem Haus auf. Ab Dezember 1938 musste sie antisemitische Steuern und Abgaben zahlen, wie zum Beispiel die so genannte „Sühneleistung“. Wenig später wurde sie gezwungen, ihren gesamten Schmuck mit einem Gesamtwert von 10.876 RM bei der Städtischen Pfandleihstelle am Hohen Ufer in Hannover abgeben.

Nachdem am 30. April 1939 das Reichsgesetz "über die Mietverhältnisse mit Juden" verabschiedet wurde, musste sie "auf Verlangen der Gemeindebehörde Juden als Mieter oder Untermieter" aufnehmen. Berliner war zwar formal die Eigentümerin ihres Hauses, faktisch hatte sie jedoch keine Verfügungsgewalt mehr über ihr Eigentum.

In einem auf den 1. September 1941 datierten Schreiben forderte die Mobilisierungs-Abteilung des Oberbürgermeisters der Stadt Hannover schließlich alle jüdischen Einwohner Hannovers auf, ihren "jetzigen Wohnraum sofort zu räumen" und ihre "Wohnungsschlüssel bis zum 4. September, 18 Uhr, beim zuständigen Polizeirevier abzugeben." Einen Tag später zwang die Stadt Hannover Klara Berliner, ihr ihr Haus und Grundstück zu verkaufen. Das Geld wurde auf ein Sperrkonto überwiesen, auf das sie keinen Zugriff mehr hatte.

Sie wurde in das "Judenhaus" in der Brabeckstraße 86 verschleppt. Anfang Dezember 1941 wurde sie in ein Barackenlager am Tiergarten transportiert, am 19. Dezember in das "Judenhaus" Ohestraße 8, am 29. Juni 1942 in das "Judenhaus" Ellernstraße 16 und am 15. Dezember 1942 in die Judendeportations-Sammelstelle Ahlem. Am 16. März 1943 wurde sie in Ahlem gezwungen, einen so genannten "Heimeinkaufsvertrag" zu unterzeichnen, mit dem sie vollständig enteignet wurde. Am Abend desselben Tages wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 14. Dezember 1943 im Siechenblock Nr. CV an einer Lungenentzündung verstarb.

Im Auftrag der Stadt Hannover versteigerte Ernst Bormann am 20. Oktober 1941 in der Gaststätte "Schwarzer Bär" Klara Berliners Einrichtungsgegenstände aus ihrem Haus in der Brühlstraße 7. Für den Rokoko-Schrank fand er keinen Käufer. Erst im Mai 1942 gelang es dem Direktor des Kestner-Museums, Dr. Ferdinand Stuttmann, den Schrank mithilfe des Kunsthändlers Emil Backhaus ausfindig zu machen und in das Kestner-Museum zu holen. Den Preis zahlte er auf ein Sperrkonto, auf das nur die Reichsfinanzverwaltung Zugriff hatte.

Die Straminplatte

Dieser Kopfkissenbezug ist mit braunen Farben und farbigem Blumenornament auf einer Straminplatte gestickt worden.

Klara Berliners Straminplatte

Diese Stickerei zeigt das Brustbildnis einer Dame im Stil der Zeit um 1770 bis 1790. Diese Handarbeit ist nicht vollendet, mehrere Docken Stickgarn sind noch vorhanden. Maria Lange aus Montabaur übergab das unvollendete Werk 1963 dem Cousin Klara Berliners, Heinz Wild, zur Aufbewahrung, der vorschlug, es dem Historischen Museum am Hohen Ufer in Hannover anzubieten. Diesem Vorschlag folgte Lange und schenkte es am 17. Juni 1967 dem Museum. Sie erzählte, dass Klara Berliner ihr diese Stramin-Platte am Tag vor ihrer Deportation nach Theresienstadt zugeschickt habe, weil sie nicht mehr in der Lage sei, an dem Kissen weiter zu arbeiten.

Ausblick

Die Provenienzforschung der Landeshauptstadt Hannover bemüht sich seit März 2014, die rechtmäßigen Erben Klara Berliners zu finden, um den Rokoko-Schrank zu restituieren. Im Dezember 2018 veröffentlichte die Stelle für Provenienzforschung in den Museen für Kulturgeschichte ihre Forschungsergebnisse zu den zwei im Amtsgericht Hannover gefundenen Testamenten und zur Identifizierung der heute noch lebenden, rechtmäßigen Erb*innen Klara Berliners. Der Journalist Lorenz Schröter interviewte einige dieser Erb*innen in Nordkalifornien und machte in einem im Januar 2000 ausgestrahlten und seitdem online verfügbaren Radio-Feature auch deren Vorschläge zur Zukunft des Rokoko-Schranks Klara Berliners öffentlich. Auf dieser Grundlage hat die Provenienzforschung und die Kulturverwaltung der Landeshauptstadt Hannover gemeinsam mit den rechtsmäßigen Erb*innen und dem Manfred Berliner Trust ein Lösungsmodell für die Zukunft dieses Schranks und der Straminplatte im Sinne der Washingtoner Prinzipien entwickelt, das sicherstellen soll, dass auch künftige Generationen über das ganze Ausmaß und den Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft am Fallbeispiel dieser materiellen Zeugnisse der Verfolgung Klara Berliners aufgeklärt werden können.

Autor: Dr. Johannes Schwartz – Landeshauptstadt Hannover, Fachbereich Kultur, Provenienzforschung 

Weiterführende Literatur

  • Schwartz, Johannes: „Der Preis für den Schrank“ ist „sehr billig“- Der NS-verfolgungsbedingte Entzug des Rokoko-Schranks und der Stramin-Platte der jüdischen Fabrikantentochter Klara Berliner, in: Museum August Kestner, Johannes Schwartz und Simone Vogt (Hrsg.): Spuren der NS-Verfolgung. Provenienzforschung in den kulturhistorischen Sammlungen der Stadt Hannover, Köln 2019, S. 94-119.
  • Schwartz, Johannes: Die NS-Verfolgungsgeschichte der jüdischen Fabrikantentochter Klara Berliner aus Hannover und die Versuche der „Wiedergutmachung“, in: Hannoversche Geschichtsblätter Neue Folge, Bd. 72/2018. S. 261-286.
  • Fleiter, Rüdiger: Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf lokaler Ebene am Beispiel Hannovers (Hannoversche Studien 10), Hannover 2007 (2. Auflage), S. 209f.
  • Obenaus, Herbert: Brühlstraße 27. Die Villa Simon, in: Sid Auffarth und Wolfgang Pietsch (Hrsg.): Die Universität Hannover. Ihre Bauten, ihre Gärten, ihre Planungsgeschichte, Petersberg 2003, S. 239-246.
  • Blanke, Sandra: Jüdisches Eigentum im Kestner-Museum, in: Wolf-Dieter Mechler und Hans-Dieter Schmid (Bearb.): Schreibtischtäter? Einblicke in die Stadtverwaltung Hannovers 1933 bis 1945 (Kleine Schriften des Stadtarchivs Hannover 2), Hannover 2000, S. 43f..
  • Schulze, Peter: Die Berliners - eine jüdische Familie in Hannover (1773-1943), in: Ders.: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hannover, Hannover 1998, S. 149-155.
  • Goldmann, Philipp: The Origin and History of the Family and Branches of the Berliners of Hannover 1720-1997. Miami/FL 1997. S. 15-30.
  • Zimmermann, Helmut: Die Familie Berliner, in: Landeshauptstadt Hannover, Presseamt; Jüdische Gemeinde Hannover (Hrsg.): Leben und Schicksal. Zur Einweihung der Synagoge in Hannover. Hannover 1963. S. 88-101

Radio-Feature zum Thema

Stand: 01.12.2021