Koloniale Kontinuitäten - Hannover.de

Wortwechsel@Hannover

Koloniale Kontinuitäten

Zu Schwarzer Kunst, Museen und kolonialen Schönheitsidealen.

Warum ist es wichtig, über Schwarze Kunstschaffende, ihre Kunst und Schönheitsideale zu sprechen?

Ein Nachwort von Franciska R. Petsch Sozialwissenschaftler*in und Vorstandsmitglied des Afrikanischen Dachverband Norddeutschland e.V.

Museen sind nicht nur Bewahrer von Kunst, sondern auch Spiegel gesellschaftlicher Strukturen und historischer Prozesse, die sie geprägt haben. Als Sozialwissenschaftler*in begreife ich Museen daher als Orte, die historische Machtverhältnisse wahrnehmbar werden lassen (können). Wortwörtlich dokumentieren und archivieren siefortwährend zeitgeschichtliche Ereignisse und menschliche Erzeugnisse.

Genauso aber sind museale Häuser selbst ein Erzeugnis der historischen Kontexte. Davon ausgehend ist es wichtig, Kolonialität und hegemoniale Strukturen zu hinterfragen, um Kunst von Menschen, deren Geschichte eng mit Versklavung und Widerstand verbunden ist, in einen angemessenen und sensiblen Kontext zu bringen.

Aus meiner Rolle als Vorstandsmitglied des Afrikanischen Dachverband Norddeutschlands e.V. gesprochen, ist es uns als organisierte Interessenvertretung ein zentrales politisches Anliegen, die Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten Schwarzer Menschen auf lokaler und gesamtgesellschaftlicher Ebene zu stärken. Hierkönnen Museen als Plattformen dienen, indem sie kulturell vielfältige Geschichten erzählen und Menschenunterschiedlichster Hintergründe einbeziehen.

Mit Blick auf Schwarze Kunstschaffende und ihre Werke, dienen visuelle und sprachliche Codes beispielsweise als bedeutsame Träger von Geschichte. Ob es sich nun um Haardarstellungen, aufwendig geknüpfte Teppiche oderhergestellte Textilien mit kulturspezifischen Mustern handelt – alle sind sie Ausdrucksform, die in ihrer Tiefe von Identität(en), Erinnerung oder auch Widerstand handeln.

Demgegenüber nimmt der eindimensionale Einsatz von Schwarzen Menschen mit helleren Hauttönen (siehe Bildbeitrag ‚Colorism') in Werbung und Film, sowie die Darstellung bestimmter Körper- oder Haarformen (siehe Bildbeitrag ‚Texturism' und ‚Featurism‘) eine eher hinderliche Rolle ein. Zum einen formen derlei Darstellungen und fremdgezeichnete Bezüge die Wahrnehmung und das Verständnis von ‚Schwarz-Sein‘. Zum Anderen fixieren ebensolche Darstellungen gesellschaftliche Macht- oder Ungleichheitsverhältnisse, die der Normierung zugeneigt sind; also kulturelle Vielfalt und Unterschiede angleichen und stattdessen ein eurozentrisches (Fremd-)Bild hervorheben (Stichwort: White Gaze - Toni Morrison, RosaMag: Artikel vom 12. August 2020 - Was ist der White Gaze?).

Die Auseinandersetzung jenseits exotisierender, vereinfachender oder ausschließender Lesarten von Schwarzen Körpern oder Schönheitsidealen bringt insofern vieles mit sich. Sie kann zu einem erweiterten Verständnis von Ästhetik, Geschichte und Agency beitragen, oder die Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung von Menschenafrikanischer Herkunft betonen. Es gibt mehrere Positivbeispiele in denen Narrative, Bilderwelten und Bedeutungen geformt oder auch zurückgefordert werden konnten. Eines lässt sich an den Arbeiten von Zanele Moholy, visual activist, anführen, deren Werken ebenfalls wie die Werke von Frida Orupabo, mit dem SPECTRUM – dem internationalen Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen – ausgezeichnet wurden.

MUHOLIS als auch ORUPABOS Werke lieferten dokumentarische und sensibilisierende Inhalte: Sie hoben die Perspektiven von Schwarzen, queeren oder auch weiblichen Personen hervor, die sich dem Schwarz-Sein ergänzten. Durchaus voraussetzungsvoll konfrontieren Künstler*innen wie Orupabo oder auch Muholi die Betrachtenden ihrer Werke mit Themen wie Texturism, Colorism und Featurism. Nicht allein als Vorwurf der Kolonialzeit, sondern auch als schmerzliches Vermissen von eigenem Ausdruck, der sich durch internalisierten Rassismus und Formen von Diskriminierung gehindert sieht und doch künstlerischen Ausdruck findet. Mittels eindringlich großflächigen Arbeiten, wird dabei ganz nebenbei der Wissenstransfer in den Fokus gerückt und je nach Bezug das (Auf-)Begehren markiert oder von innovativen Zukunftsentwürfen begleitet.

Im Kern geht es bei Schwarzen Schönheitsidealen, Schwarzer Kunst und Kunstschaffenden also darum, ihnen Wertigkeit beizumessen und menschliche Erfahrungen als auch Hervorbringungen zu würdigen, um zu einer inklusiven Gesellschaft beizutragen, ganz im Sinne des Selbstverständnisses von WIR2.0.

 

Dieser Text entstand im Nachgang zur Wortwechsel@Hannover-Veranstaltung "Who is beautiful? - Koloniale Kontinuitäten weiblicher Schönheitsideale" am 24.06.2025 im Sprengel Museum.

 

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